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Mit geschlossenen Augen

Mit geschlossenen Augen

Titel: Mit geschlossenen Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Panarello
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Samstag, um zehn Uhr abends, in einer Villa am Meer. Ich komme dich abholen, zusammen mit Valerio natürlich ...«
»Sofern ich einverstanden bin«, fiel ich ihm ins Wort.
»Natürlich, sofern du einverstanden bist.«
Wir schwiegen ein paar Sekunden, dann fragte ich: »Muss ich etwas Besonderes anziehen?«
»Nein, Hauptsache, du wirkst nicht allzu jung. Alle denken, du bist achtzehn«, sagte Flavio.
»Alle? Wieso, wie viele sind es denn?«, fragte ich Valerio.
»Das wissen wir selbst nicht genau, bisher haben sich fünf Paare angemeldet. Aber es können noch ein paar dazukommen.«
Ich habe beschlossen teilzunehmen; für Claudio tut es mir Leid, aber ich bezweifle, dass eine wie ich ihn richtig lieben kann, dass ich diejenige bin, die ihn eines Tages glücklich macht.
15. Juni 2002
    Nein, ich bin mit Sicherheit nicht diejenige, die ihn glücklich machen wird. Ich habe ihn nicht verdient. Mein Telefon läuft heiß von seinen Anrufen und SMS. Aber ich lasse ihn auflaufen, jawohl. Ich antworte ihm nicht, ignoriere ihn völlig. Irgendwann wird es ihm schon zu dumm, und dann sucht er sein Glück woanders. Nur warum dann diese Angst?
17. Juni 2002
    Schweigend, nur dann und wann das eine oder andere Wort wechselnd, haben wir uns zum Ort der Verabredung begeben ‒ ein Ferienhaus außerhalb der Stadt, auf der anderen Seite der Küste, dort, wo die Felsen zu Sand zerbröseln. Die Gegend war sehr einsam, das Haus ziemlich weit nach hinten versetzt. Wir betraten das Grundstück durch ein hohes Eisentor, ich zählte die Autos, die auf dem Zufahrtsweg standen: Es waren sechs.
    »Süße, wir sind da!«, sagte Flavio. Es irritierte mich ungemein, so von ihm genannt zu werden ... er kannte mich doch überhaupt nicht, verdammt noch mal! Was erlaubte er sich, mich Süße, Liebes, Kleine zu nennen ... ich hätte ihn erwürgen können!
    Eine faszinierende, nach Parfüm duftende Frau um die vierzig machte uns auf. Sie maß mich vom Scheitel bis zur Sohle und warf Flavio einen zustimmenden Blick zu, worauf dieser verhalten lächelte. Wir durchquerten einen langen Korridor; große abstrakte Gemälde schmückten seine
    Wände. Als wir das Wohnzimmer betraten, richteten sich dutzende von Blicken auf uns, was mich sehr verlegen machte; die meisten waren Männer, vornehm gekleidet und mit Krawatte, einige hatten Masken auf, damit man ihr Gesicht nicht erkannte. Ein paar Frauen kamen auf uns zu und stellten mir Fragen, auf die ich mit Lügen antwortete, die Valerio und ich uns vorher ausgedacht hatten. Irgendwann näherte sich der Prof. meinem Ohr und flüsterte: »Ich kann es kaum erwarten anzufangen ... ich möchte dich lecken und die ganze Nacht in dir drin sein und danach zugucken, wie du es mit andern machst.«
    Sofort fiel mir Claudios Lächeln ein: Er würde mich niemals mit einem andern im Bett sehen wollen.
Flavio brachte mir ein Glas Whisky-Creme, das mich an die Szene vor ein paar Monaten erinnerte ... Ich ging zum Pianoforte und dachte daran, wie ich vor wenigen Tagen auch Roberto abserviert hatte. Ich hatte ihm damit gedroht, dass ich zu seiner Freundin gehen und ihr alles erzählen würde, wenn er nicht aufhörte, mich anzurufen, und seinen Freunden solle er gefälligst ausrichten, sie sollten die Klappe über mich halten. Es hat funktioniert, er hat sich nicht wieder gemeldet!
Irgendwann kam ein Mann um die dreißig auf mich zu, er ging, als würde er schweben, trug eine runde Brille und hatte große blaugrüne Augen in einem markanten, aber schönen Gesicht.
Er musterte mich eingehend, dann sagte er: »Ciao, bist du das Mädchen, über das so viel gesprochen wurde?«
Ich sah ihn fragend an. »Kommt darauf an ... Was genau wurde denn gesagt?«
»Na ja, wir wissen, dass du sehr jung bist, angeblich
achtzehn, obwohl ich persönlich das nicht ganz glaube ‒ nicht, weil du jünger aussiehst! Ich spüre das einfach ... Egal. Man hat mir jedenfalls erzählt, du hättest schon oft an Abenden wie diesem teilgenommen, allerdings nur mit Männern ...«
Ich wurde rot wie eine Tomate und wäre am liebsten im Erdboden versunken: »Wer hat dir das erzählt?«, fragte ich ihn.
»Was tut das schon zur Sache? Gerüchte ... Du bist eine hübsche kleine Sau, hm?«, meinte er lächelnd.
Ich bemühte mich, ruhig zu bleiben und mitzuspielen, um nicht alles zu verderben.
»Mit Etiketten kommst du bei mir nicht weiter. Ich habe mich auf diese Sache eingelassen, weil ich wollte ...«
Er schaute mich an, wohl wissend, dass ich log, und sagte: »Auch wenn

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