Mit Jockl nach Santiago
fragilen Fahrzeuge mit dem Drücken des Startknopfes Luft zu holen schienen und die Motorhauben sich wie Brustkörbe zu heben und senken begannen - schnell und in beständig gleichem Rhythmus, der das ganze Gefährt erfasste und es wie eine Luft pumpende Honigbiene aussehen ließ. Dabei haben Insekten dieser Spezies wahrlich nichts bei den Eichern verloren, denn hier dominieren vor allem Raubtiere: »Panther«, »Leopard«, »Tiger«, »Königstiger« und »Mammut« nennen sich die Fabrikationstypen aus der so genannten »Raubtierreihe« der Eicher-Werke in Forstern.
Kurz und gut, dieses Eicher-Treffen war unser Einstieg ins Traktorleben - noch ungeahnt freilich, doch im nachhinein betrachtet, war er das. Nun, Wolfgang vertiefte diese Begeisterung mit allen ihm zur Verfugung stehenden Mitteln und mutierte vor meinen Augen binnen Wochen zu einem kleinen Eicher-Experten, während ich von Monat zu Monat meine in Saft stehenden Wurzeln vertrocknen ließ. Ein gutes halbes Jahr später ging ich bereits wieder mit dem Gedanken einer Radreise schwanger und versuchte im Geiste meinen Hintern an einen Sattel zu gewöhnen. Der Traktor als Urlaubsmobil rückte für mich wie ein uninteressant gewordenes Spielzeug in immer weitere Ferne, während Wolfgang in Prospekten, Kopien und einem neu erschienenen Eicher- Buch in technischen Daten wühlte und tagtäglich die einzelnen Typen miteinander verglich und abwägte, welche »Raubkatze« für unser Unternehmen wohl am geeignetsten wäre.
Aber gegen Ende des Jahres, als allmählich absehbar wurde, daß der Erwerb eines solchen »Tigers« oder »Königstigers« sich als wesentlich schwieriger herausstellte als der Erwerb des Führerscheines, da zeichneten sich wieder die Räder, kurzfristig sogar unsere Trekkingrucksäcke groß am Reisehorizont ab, denn unser Start war für das Frühjahr 1997 endgültig festgelegt - egal, ob zu Fuß, per Rad oder Traktor - nur die Reisevorbereitungen dazu sind natürlich jeweils völlig andere, und die Zeit, die wir für das Umrüsten eines Schleppers zu einem passablen Reisetruck veranschlagten, belief sich doch auf immerhin drei bis vier Monate, so daß wir Ende Dezember zwangsläufig einen Schlußstrich unter das Kapitel »Eicher« ziehen mußten.
Fast in letzter Minute und wie ein verspätetes Weihnachtsgeschenk kam der Anruf- ein wirklich gut erhaltener »Panther« stünde zum Verkauf. Also quälte Wolfgang einen Tag vor Silvester sein altersschwaches Auto zum Voggenauer Franz nach Hebertsham in der Nähe von Wasserburg hinauf. Eiseskälte an diesem und auch an den Tagen zuvor hatte die Landschaft und schier auch die Leut’ zum Erstarren gebracht. Aber beim Ansichtigwerden des »Panthers« taute Wolfgang wieder auf, wurde quietschlebendig: »Genau des is a!« Schnell war ein Film verschossen, um das Starmodel aus der Eicher-Riege von allen Seiten abzulichten und zumindest seine figürlichen Qualitäten und seine optische Wirkung auf Bild zu bannen. Mit diesen Bildern dokumentierten wir stolz unser Besitzerglück wie frischgebackene Eltern Fotos ihres noch reichlich zerknautschten Babys. Und weil so ein Eicher in unserer Zwei-Mann-Mansarde doch einen erheblichen Zuwachs bedeutete, der in den nächsten Monaten mehr oder weniger unseren Tagesablauf bestimmen würde, schritten wir auch gleich zur Taufe: »JOCKL!« Dieser Name passte ganz hervorragend zu unserem Schützling, nicht zu derb, mit einem liebevollen Touch und doch g’standen, wie es sich für jemanden bäuerlicher Herkunft gehört. Und schließlich, was von besonderer Bedeutung war, Jockls Namenspatron, der Hl. Jakob, lieferte uns ja eigentlich den Grund und das Ziel unserer geplanten Reise: Auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela!
Ein bäuerlicher Handschlag in die ölverschmierte Pranke des traktorkundigen und -fündigen Voggenauer Franz und fertig waren die Formalitäten des Kaufabschlusses, der wenige Tage darauf noch schriftlich besiegelt wurde. Doch vorerst blieb Klein-Jockl noch in Hebertsham zur Gesundenuntersuchung: Ölwechsel, Filterwechsel, neue Batterie, Einstellen der Ventile, Austauschen von Dichtungen etc.
II. Der Countdown läuft!
16.01. 1997
Besuch beim Franz in Hebertsham. Zum ersten Mal sehe ich Jockl in natura. Aber ob man unsere Begegnung als Liebe auf den ersten Blick bezeichnen kann? Ich glaube nicht. Zuviel Schmiere, Öl und Staub fördern eine solche Zuneigung nicht unbedingt, sind ihr eher abträglich. Gerade, daß ich mir ein
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