Mit Jockl nach Santiago
»Probesitzen« abringen kann, um einen ersten »Hautkontakt« herzustellen und mich mit einer neuen, völlig ungewohnten Sitzhöhe bekannt zu machen. Ja, doch, so ein halber Meter Höhengewinn hat schon etwas Erhabenes an sich. Trotzdem ähnelt die Vorstellung, ich selbst würde dieses Riesenbaby einmal durch die Landschaft steuern eher einem Alptraum denn einem Wunsch. Von meinem ersten und einzigen Auto - einem VW-Käfer - hab’ ich mich vor knapp 20 Jahren mit Freuden getrennt, als wir uns nicht einigen konnten, wer mit wem herumfährt. Und jetzt sollte ich dieses Ungetüm anwerfen und nach Möglichkeit auch noch in Bewegung setzen. Also, nur ruhig Blut und abwarten! Ansonsten schnattere ich in Franzens kalter Garage um den Traktor herum, begleitet von Musik aus einem Transistorradio und Gesprächsfragmenten einer Fachsimpelei zwischen Franz und Wolfgang: »...und donn schraubst des auf...pass vei auf, daß da des dawei net obafoit...donn kloppst des amoi zruck...und stützt des zeascht auf...wearst segn und donn geht’s oba...!« Zum Schluß bestellen wir noch einen neuen Vorderreifen, und damit dürfte Jockls Check-up bis auf weiteres erst einmal abgeschlossen sein. Bei der Heimfahrt dreht sich unser Gespräch ausschließlich um Jockl und seine bevorstehenden Um- und Anbauten und wie und wann wir ihn endlich nach Oberndorf bekommen.
25. 01. 1997
Heute liefert Franz unseren Jockl. Die halbe Nachbarschaft läuft zusammen, als die »zwoa zuagroastn Spinna« ihren Traktor in Empfang nehmen. Mit Schwung und Hurra läßt Franz den Jockl vom Tieflader rollen und startet ihn. Trotz beißender spätnachmittäglicher Minustemperaturen springt er auf Anhieb an, und endlich spüre ich so etwas wie Freude; mein Herz schlägt mit einem Male schneller, im selben Takt des Motors, so scheint mir. Der Neuankömmling hat also meine Zuneigung errungen. Beharrlich schickt er sein unentwegtes Tuckern über die frostigen Schneefelder ins Dorf hinunter, während Franz ungestört des Backgroundlärms ganz in seinen Erklärungen einer Ersteinschulung aufgeht. Von den vielen Worten schreitet Wolfgang nun zur Tat, klettert hinter das Lenkrad und wagt seine erste Proberunde. Ein Ruck, ein Sprung und schon rattert Jockl über den Schlaglochweg von Kreuzerleiten Richtung Ziegelhalden. Längere Zeit bleiben die beiden verschollen, und man kann nur hoffen, daß sie sich irgendwo zu einer gemeinschaftlichen Umkehr entschließen können, denn oft genug entwickeln sich die Dinge verhexterweise gerne gegen das eigene Wollen und Können. Doch nichts von alledem! Einträchtig kehren Wolfgang und Jockl von ihrer Premierenfahrt in den Kreis einer belustigten Zuschauerschaft zurück. Ich für mich hingegen beschließe, erst dann das Gaspedal zu drücken, wenn halb Oberndorf vom »Schifferstechen« auf der Salzach in Anspruch genommen wird.
Franz, die umtriebige Seele, verabschiedet sich bald in die nächste »Wiatschoft«, und Jockl lernt sein neues Garagenzuhause kennen.
29.01. 1997
Wolfgang macht sich im wahrsten Sinn des Wortes an die Drecksarbeit und erleichtert den Jockl um einige seiner, für uns überflüssigen, Gliedmaßen, wie Kraftheber mit Ackerschiene, Mähbalken, Hydraulik etc. Was der Traktor dabei an enormem Gewicht verliert, das können wir später nicht einmal mit unserer gesamten Reise- und Campingausrüstung wieder wettmachen. Jockls Entschlackungstage beginnen also noch vor der Fastenzeit.
30. 01. 1997
Erkundigungen beim TÜV und bei sonstigen zuständigen Behörden bestätigen wieder einmal Unwissenheit und Inkompetenz so mancher Mitglieder der Beamtenschaft. Einen Flug zum Mond zu organisieren, ließe sich wohl einfacher in die Tat umsetzen als einen Oldtimer aus bayrischen Landen bei uns in Österreich als nicht landwirtschaftlich genutztes Fahrzeug anzumelden. Wir überlegen schon, für all den Papier- und Formalitätenkram, der sich anzubahnen droht, einen Ordner anzuschaffen und einen Kredit aufzunehmen für die Telefongebühren, die im Nu zu erschreckenden Beträgen empor klettern, nur um sich mit einem melodiösen »Bitte warten, Sie werden verbunden!« berieseln zu lassen und zwischendurch in einer persönlichen Neubearbeitung von Valentins »Buchbinder Wanninger« zu glänzen.
31.01. 1997
Nach elf Jahren sitze ich heute zum letzten Mal an meinem Arbeitsplatz. Als ich bei meiner Verabschiedung bei der Nachfrage nach meinen Zukunftsplänen mit unserem Jockl-Projekt rausrücke, ist es mit meiner
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