Mit Jockl nach Santiago
drängen unsere Hände zu variationsreichen Stapelungen und mehr oder weniger sinnvollen Anordnungen aller umliegenden Utensilien, um sie jedoch noch vor einer endgültigen Einlagerung, einem neuen Geistesblitz folgend, gleich wieder aus ihren Positionen zu reißen und alles schonungslos umzuräumen - das Oberste zu unterst und umgekehrt. Bei dieser Gelegenheit wird auch die erste Eliminierung einiger Gegenstände vorgenommen. Der Sieg über sperrige Klappsessel, aufmüpfige Fleecejacken, klotzige Plastikboxen und bockige Iso-Matten muß unser sein. Allerdings vorerst nur ein Sieg bis zur Premiere unmittelbar vor der Abfahrt, denn dann beginnt der Kampf um fehlenden Stauraum von neuem.
02. 05. 1997
Die Transportkiste hält Wolfgang auf Trapp. Zu viele Details müssen bedacht werden, die letztendlich den Wert und Nutzen der Kiste ausmachen. Sie soll ja nicht nur unser gesamtes Gepäck aufnehmen, sondern auch als körpergerechte Sitzbank und Tisch fungieren, darüber hinaus plant Wolfgang gesonderte Abteilungen für Benzinkanister und Regenmonturen und Abtrennungen für Zeltausrüstung und Lebensmittel; außerdem muß sie mit wasserdichten Klappdeckeln, mit möglichst aufbruchsicheren Verriegelungsvorrichtungen sowie mit rutschfesten Trittauflagen aus maßgeschneidertem Riffel-Alublech ausgestattet werden. All diese Dinge brauchen ihre Zeit, sollen sie funktionieren beziehungsweise ihren Zweck erfüllen. Und schließlich und endlich soll das Ganze auch in eine gefällige Form gebracht werden, die Jockls Attraktivität weder ab- aber auch nicht nennenswert aufwertet. Sie soll zu ihm passen wie Omis säuberlich ondulierte Haartracht an Muttertag oder das schrill-punkige Styling zum Mega-Typ des Londoner Underground. Kurzum, gefragt ist ein typgerechtes Outfit, welches obendrein reichlich praktischen Verwendungszwecken dienen soll. Indessen steht die Paradekiste bereits auf der dafür vorgesehenen Halterung verschraubt und verleiht dem Jockl eine sagenhaft optische Ausgewogenheit. Jedes Betrachterauge wird zugeben müssen: Jockls Proportionen, seine properen Flanken, sein wohlgerundeter Vorbau und sein stämmiger, nicht allzu sehr ausladender Bürzel stimmen goldschnittig!
05.05.1997
Bei anhaltend schönem Wetter sind unsere Arbeiten soweit gediehen, daß wir ein konkretes Abreisedatum ins Auge fassen können. Also probieren wir’s mal mit dem 12. Mai - ein frommer Wunsch.
12.05.1997
Nix Abreise! Herrschte all die Wochen zuvor schon Chaos, so krallt es sich jetzt förmlich an uns fest. Egal wann wir es schaffen werden, diese Stätte der Verheerung zu verlassen, sie wird beharrlich auf unsere Heimkehr warten, denn es wird in Anbetracht der Zeitknappheit nur möglich sein, alles am Boden liegende Werkzeug und sonstige Hindernisse zur Seite zu kicken, um Jockl aus dem Schlachtfeld zu befreien. Stress und Wüstenei werden demnach auch unseren Aufbruch überschatten. Wolfgangs Naturell pflegt mit solchen Gegebenheiten lockerer umzugehen, als ich es dazu imstande bin. Es würde ihm auch mühelos gelingen, die letzte Stunde vor dem Aufbruch zu einer harmlosen Altötting-Wallfahrt in ein Inferno zu verwandeln. Manchmal habe ich den Eindruck, als produziere er unbewusst geballte Hektik und slumähnliche Zustände, um sich an diesem Wall von Unannehmlichkeiten besser in die Freiheiten eines Urlaubs abstoßen zu können oder was auch immer. Jedenfalls gehört bei uns ein nerviger Schlussakkord in Sachen Globetrotting immer dazu. Die letzten Tage (der Menschheit) verbringe ich gewissermaßen als ein personifizierter Krakatau vor dem Ausbruch.
13.05.1997
Gegen Mittag schaut mein Vater zu einer kleinen Brotzeit, die er wissenderweise gleich selbst mitbringt, bei uns vorbei, um zu sehen, wie weit unsere Vorbereitungen gediehen sind. Nun, er braucht nichts zu sagen, ich entnehme alles seinen ungläubigen Blicken, die er über unser Schlachtfeld stolpern läßt. Er glaubt es nicht, kann es nicht glauben, daß wir bald, ziemlich bald aufbrechen wollen. Eine allgemeine Schweigeminute bekehrt uns drei zu einem vorübergehenden Augenblick der Ernüchterung. Jockl steht indes wie eine brave Milchkuh in seinem Garagenstall und läßt allen Terror in stoischer Eicher-Standfestigkeit über sich ergehen.
15.05.1997
Morgen also! Morgen machen wir Nägel mit Köpfen. Mit einen Turbo-Start, der uns endlich aus der übermächtigen Chaos-Gravitation in eine hoffentlich mehrmonatige Unbeschwertheit befördert, wollen wir
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