Mit Kurs auf Thule
Gebieten Westnorwegens, die ihre wachsende Bevölkerung nicht mehr ernähren konnten. Dazu gehörte auch Jæren im Südwesten, wo offenbar Eirik »der Rote« Thorvaldsson aufwuchs. 2
Eirik war Initiator und Anführer des nordmännischen Vorstoßes nach Westen und der Besiedlung Grönlands kurz vor 990 n. Chr. Die beiden dort gegründeten Kolonien sollten etwa fünf Jahrhunderte Bestand haben. Über alles, was im Laufe dieses halben Jahrtausends in Grönland geschah, wird heute intensiv diskutiert, denn zu diesem komplexen Thema können sowohl moderne archäologische Forschungen als auch eine Vielfalt früher Schriftquellen etwas beitragen.
So beginnt das
Íslendingabók
(
Buch der Isländer
) von Ari dem Gelehrten mit der Besiedlung Islands um 870 n. Chr. Es enthält auch einen kurzen Bericht über die Kolonisation Grönlands, die älteste bekannte Erwähnung der gewagten Unternehmung Eiriks des Roten überhaupt. Die Schilderung basiert auf den Erzählungen von Aris Onkel Thorkell Gellison, dem er mit gutem Grund vertrauen konnte.
Das Land, welches Grönland genannt wird, wurde von Island aus entdeckt und besiedelt. Erik der Rote hieß der Mann, ein Breidifjörder, der von hier dorthin fuhr und dort Land nahm, wo es seitdem Eriksfjord heißt; er gab dem Land den Namen und nannte es Grönland; das, meinte er, würde den Leuten Lust machen hinzufahren, wenn das Land einen schönen Namen hätte. Sie fanden da menschliche Wohnungen sowohl im Osten wie im Westen des Landes, auch Reste von Fellbooten und Steinwerkzeuge, woraus man entnehmen
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kann, dass hierher Menschen solcher Art gekommen waren, wie sie Vínland bewohnen, die die Grönländer Skrälinge nennen.
Es war dies aber vierzehn oder fünfzehn Jahre, bevor das Christentum hier nach Island kam, als er das Land zu besiedeln begann, nach einer Angabe, die Thorkel Gellissohn auf Grönland von einem erhielt, der selbst mit Erik dem Roten hinausgefahren war.
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Wie vielen anderen isländischen Sagas liegen auch unseren beiden wichtigsten Quellen zu diesem Thema – der »Saga von Eirik dem Roten« und der »Saga von den Grönländern« – mündliche Überlieferungen zugrunde. Beide wurden erst im frühen 13. Jahrhundert niedergeschrieben. 4 Das wirft die Frage auf, wie zuverlässig die mündliche Überlieferung der nordischen Geschichte nach zwei Jahrhunderten noch war, zumal beide Sagas auch Einflüsse intellektueller Strömungen aus der Zeit der anonymen Verfasser aufweisen. Glücklicherweise hat sich immer deutlicher gezeigt, dass die Nordmänner Genealogien und Familienüberlieferungen mündlich offenbar über viele Generationen hinweg weitergeben konnten. Ein gutes Beispiel dafür ist eine prahlerische Runeninschrift im Megalithgrab Maeshowe auf den Orkneys: »Diese Runen wurden eingemeißelt vom besten Runenmeister des westlichen Ozeans, mit einer Axt, die einst Gauk Trandilsson im Südteil des Landes [Island] gehörte.« Die Inschrift stammt aus dem Winter 1153/1154, als eine Gruppe nordischer Plünderer, die auf den Hebriden ihr Unwesen getrieben hatten, in dem Ganggrab Zuflucht suchte, und die Prahlerei war das Werk von Thorhall Ásgrimsson, dem Urururenkel des Mannes, der laut »Njáls Saga« für den Tod Gauk Trandilssons verantwortlich war. 5
Kommentare zu dem spärlichen Quellenmaterial, mit dem wir arbeiten müssen, sind ebenso zahlreich vorhanden wie schnell veraltet. Glücklicherweise verändern sich die Primärquellen selbst nicht, sondern nur das Licht, in dem jede neue Wissenschaftlergeneration sie liest. Eine eindeutige Unterscheidung zwischen Kommentaren und Quellen hätte wahrscheinlich dazu beitragen können, die heute vorherrschenden Meinungsverschiedenheiten im wissenschaftlichen Diskurs, die über die Nordmänner in Grönland und Nordamerika bestehen, zu minimieren. Wer sich mit der nordischen Besiedlung Grönlands beschäftigt, merkt schnell, dass zahlreiche dieser Missverständnisse auf die
Antiquitates Americanae
zurückgehen, die bereits in der Einleitung erwähnte Quellensammlung von Carl Christian Rafn und Finn Magnusen aus dem Jahr 1837. Sie wurde völlig zu Recht auf beiden Seiten des Atlantiks begrüßt, ermutigte aber leider auch Wissenschaftler wie Laien gleichermaßen, ziemlich frei über die Nordmänner in Nordamerika und Grönland zu spekulieren. So hatten die Herausgeber etwa behauptet, ein alter Rundturm in Newport, |25| Rhode Island, sei als mittelalterliche nordische Kirche errichtet worden und zeige so eine
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