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Fey 07: Die Augen des Roca

Fey 07: Die Augen des Roca

Titel: Fey 07: Die Augen des Roca Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristine Kathryn Rusch
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    Die Morgendämmerung zog kalt und klar über die Augen des Roca herauf. Die Schamanin hüllte sich in eine Decke und sah zu, wie die aufgehende Sonne die Berge blutrot verfärbte. Seit König Nicholas vor zwei Tagen mit seiner Tochter Arianna, einer Halbfey, hier angekommen war, hatte die Schamanin nicht geschlafen. Arianna war ungewöhnlich mager, ihre Augen tief in den Höhlen eingesunken. Zu oft hatte sie in den vergangenen Tagen ihre Fähigkeit zum Gestaltwandeln im Kampf gegen ihren Urgroßvater Rugad eingesetzt.
    Den Schwarzen König.
    Die Schamanin erschauerte und zog die Decke fester um sich. Sie saß auf einem Felsbrocken, ihre Füße baumelten über der Schneedecke. Nicholas und Arianna schliefen in der hinter ihr liegenden Höhle, die die Schamanin vor weniger als zwei Wochen, nachdem der Schwarze König über die Insel hergefallen war, gefunden hatte. Wäre sie nicht geflohen, so hätte sie zusammen mit den anderen Fey, die seit der ersten Invasion hier lebten, den Tod gefunden.
    Versager hatte Rugad diese Fey genannt, und nach den Gesetzen der Fey war er dazu im Recht. Er hatte keine andere Wahl, als sie zu töten. Versager waren nicht mehr vertrauenswürdig. Eine Schamanin schon gar nicht.
    Es war völlig windstill. Die frostige Luft drang eiskalt in ihre Lungen. Trotz des Schlafmangels spürte die Schamanin keine Müdigkeit. Sie dachte fieberhaft nach. Sie hatte ein Dutzend verschiedene Visionen der Zukunft Gesehen, und die junge Arianna hatte bei ihren ersten Visionen ein Dutzend anderer Entwicklungen Gesehen. Die Zukunft lag völlig im Ungewissen.
    Der Schwarze König hatte die Welt mit seiner Ankunft auf der Blauen Insel in Gefahr gebracht. Eine der Visionen der Schamanin hatte die schrecklichen Folgen gezeigt, die der Kampf zwischen Schwarzem Blut und Schwarzem Blut auslösen konnte.
    Sie hob den Kopf und blickte nach Süden ins Tal hinunter. Es breitete sich, von Landstraßen und Siedlungen gegliedert, grün und goldschimmernd unter ihr aus. Am Horizont war der Himmel noch immer dunstig und von Rauchwolken verfärbt. Dort hielt sich der Schwarze König auf, in jener Stadt, die Nicholas’ Volk erbaut hatte und die Rugad jetzt niederbrennen ließ, wie es die Tradition der Fey so vorschrieb.
    Der Schwarze König hatte nicht auf die Wünsche seiner Enkelin Jewel, Nicholas’ Ehefrau, hören wollen. Damit die Blaue Insel auf friedliche Weise zu einem Teil des Reiches der Fey werden konnte, hatte sich Jewel selbst geopfert. Sie hatte gespürt, daß es ihren Kindern gelingen würde, Inselbewohner und Fey miteinander zu versöhnen, daß die Invasionsarmee der Fey sich von der Insel zurückziehen würde.
    Aber es war anders gekommen. Jewels Tod und der mächtige Zauber der Insel hatten eine so tiefe Kluft gerissen, daß nicht einmal die Schamanin sagen konnte, ob sich dieser Riß jemals wieder schließen ließ. Die Dinge nahmen ihren Lauf. Sie konnte nichts weiter tun, als Nicholas und seine ungestümen Kinder zu beraten und darauf zu hoffen, daß das Verderben aufgehalten werden konnte.
    Sie wischte sich eine strohige Haarsträhne aus dem Gesicht. Ihre Hände waren kalt. Sie hatte von diesem Platz aus schon mehr als ein Dutzend Mal den Sonnenaufgang beobachtet, aber noch nie zuvor war der Himmel von einem so tiefen Blutrot durchtränkt gewesen. Etwas kündigte sich an, eine gewaltige Veränderung stand bevor. Sie spürte es genau.
    Plötzlich überkam sie ein leichter Schwindel. Sie stieß einen Seufzer aus und drehte sich zur Höhle um. Gleich würde sie eine Vision haben. Sie wollte in der Höhle sein, wenn es soweit war. Beim letzten Mal war sie durch den Schnee geirrt und fast erfroren.
    Eine Vision …
    Schon brach die Vision über sie herein, brachte ihre Welt aus dem Gleichgewicht und warf sie herum, bis sie in einer Höhle wieder zu sich kam.
    Es war nicht ihre Höhle, sondern eine andere. Sie war dunkel und trotzdem von einem inneren Licht erleuchtet. Fremde Mächte umflogen die Schamanin. Sie wisperten leise, so daß sie nicht genau verstehen konnte, was sie sagten. Sie befand sich teilweise in der Höhle und teilweise im Freien.
    Die Schamanin war nicht zum ersten Mal an diesem Ort. Ihre Pilgerfahrt als junges Mädchen hatte sie schon einmal hergeführt.
    In die Eccrasischen Berge, die Heimat der Fey.
    An den Ort der Macht.
    Aber Visionen spielten niemals in der Vergangenheit. Das hier war die Zukunft. In den Eccrasischen Bergen? Wie hatten sie Galinas erreicht? Wie den weiten

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