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Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht

Titel: Mit Leerer Bluse Spricht Man Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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impulsive Natur, aber irgendwann reicht es mir dann auch.
    Rumpelstilzchen reagiert angemessen. Er springt von meinem Schoß herunter und kreischt: »Doch, doch, ich bin der HErr, und ihr seid alle Huren, alle Huren, Huren Babylons!«
    Er springt jetzt in der Bahn herum, endlich weg, weg von mir. Teenager kreischen, Hunde bellen, alte Männer verteidigen sich mit Spazierstöcken. Alle Übrigen glotzen mich böse an. In ihren Blicken liegt ein einziger Vorwurf: »Musstest du ihm denn unbedingt widersprechen? Wir hatten dich doch so schön geopfert, und dann musst du ihn auf uns alle loshetzen mit deiner vorlauten Art, toll!«
    Ich werde rot, die Bahn hält an. Rumpelstilzchen hält ebenfalls inne, besinnt sich, dass er noch in einer anderen Linie seine Botschaft verbreiten sollte und humpelt hinaus. Die Türen schließen sich hinter ihm, Rumpelstilzchen dreht sich noch einmal zu uns um, nickt bekräftigend und winkt wie der hochfavorisierte Präsidentschaftskandidat hinter uns her. Im Wind der anfahrenden Bahn weht sein Minirock hoch. Er trägt ihn traditionell schottisch. Wie schön.
    Die anderen Fahrgäste murmeln. Einige kichern schrill, keiner setzt sich auf den freien Sitzplatz neben mich. Ich versuche mir einzureden, dass es daran liegt, dass dort eben noch Rumpelstilzchen saß, schaffe es aber nicht. Schließlich habe ich mich eben in aller Öffentlichkeit gegen meine auserwählte Funktion als Freak-Magnet gewehrt, und alle in dieser Bahn wissen davon. Zum Glück muss ich am Friesenplatz raus, raus in meine kleine Welt, ab ins Theater, wo viele manchmal ganz normal sind und ich als Kellnerin jobbe.
    Das Theater empfängt mich mit wohliger Wärme, in Form von mir bekannten Menschen und Freibier. Ich setze mich an die Theke, will kurz mal mit überhaupt niemandem reden. Eine mir bekannte, völlig normale Person setzt sich zu mir und fragt mich, ob es mir nicht auch so fantastisch gehe wie ihr. Ich antworte nicht, das wurde auch nicht erwartet, stattdessen bekomme ich zu hören, weshalb es der normal-normalen Person so fantastisch geht:
    »Also, Katinka, da waren wir in diesem ganz fantastischen Landhäuschen in der Eifel, ja, also wirklich einGeheimtipp, falls du die Adresse mal haben willst, ganz wunderbare Leute, die das da machen. Also er ist eher so ein rustikaler Typ, so ein Einfacher, aber ganz, ganz nett dabei, ne, und sie hat wohl mal in Berlin studiert, ist aber nicht so ’ne Aufdringliche, ne, also, das merkste schon, aber, die kommen nicht von da, ne? Also ganz geschmackvoll eingerichtet, also nicht so wie wir, ja, aber für die Gegend so, und die haben uns da einen Wein hingestellt, so etwas findest du hier gar nicht, ja? Ein Tropfen war das, und zwar inklusive,
inklusive
, einfach so dabei, ne, toll! Also, da kannste auch einfach mal so die Seele baumeln lassen, das ist Ruuuheeeee! Aber ich bin ja immer morgens laufen gegangen, du, seit ich damit angefangen hab   … Ich muss ja morgens laufen, ne, ich muss dann raus, toll, aber   … du musst schon zu zweit dahin, also, allein wegen der Fahrerei, ist auch gar nicht so teuer, also vergleichsweise jetzt   …«
    Ich nicke zuhörend. Ich erwähne nicht, dass ein Geheimtipp unter Umständen nicht geheim bleibt, wenn man Hans und Franz und mir davon erzählt. Ich sage auch nicht, dass ich es ekelhaft finde, einen Menschen zwei Minuten lang zu erleben und ihn dann gleich zweimal zu beleidigen, einmal als einfach und dann auch noch als nett. Dass ich eher Bier als Wein trinke, erwähne ich ebenfalls nicht, das sieht man. Und ich bin auch nicht so einsam, dass ich jetzt zugeben müsste, ich könnte nicht mit jemandem zusammen dort hinfahren, wegen der Fahrerei und so, und es interessiert mich auch nur ein ganz klein wenig, was diese Person sich dabei denkt, ihre Finanzen mit meinen zu vergleichen. Aber dannsieht mich diese Person so herausfordernd an, so nach Bestätigung heischend wie ein Werbeagenturchef, wie Rumpelstilzchen eben und wie all die anderen normalen Menschen, die sich einsam fühlen und meinen, ich täte das auch, also widerspreche ich nicht, stelle nicht richtig, sondern beuge mich nur langsam zu der Person hinunter und flüstere ihr ganz leise ins Ohr: »Weißt du was? Jesus wird kommen, und er wird dich ficken!«
    Es klappt. Die Person ist verdattert und ich wieder sehr einsam an der Theke. Hoffentlich fange ich nicht irgendwann mit Selbstgesprächen an.

Und Adam Bronski freute sich
    Manchen Menschen wird eine entwaffnende Ehrlichkeit

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