Mit Pflanzen verbunden
„Hundskamille“. In den meisten Kräuterbüchern blättert man vergebens nach ihr. Wenn sie dennoch Erwähnung findet, dann heißt es meistens „ohne Heilwirkung“ oder „bedeutungslos“. Aber wie kann das sein? Allein der süße Duft lässt unerkannte Heilkräfte erahnen.
Dass man ihre Heilkräfte bei uns nicht kennt, liegt an ihrer Herkunft: Erst um 1850 erschien sie in Europa und breitete sich, vom botanischen Garten in Berlin ausgehend, rasch aus. Kamtschatka, der Nordostzipfel Eurasiens, ist ihre Urheimat. Nach Alaska kam die Pflanze, deren Samen klebrig sind und an Sohlen und Hufen haften bleiben, vermutlich mit den indianischen Mammutjägern vor 30 000 Jahren – sozusagen in den „Fußstapfen des roten Mannes“. Allmählich breitete sie sich entlang der Rocky Mountains aus. Von den Cheyenne konnte ich erfahren, dass sie eine ihrer Lieblingspflanzen ist. Sie zerreiben die Blütenköpfchen, mischen sie mit gepulvertem Mariengras (Hierochloe odorata) , Wilder Goldmelisse (Monarda fistulosa) oder Ponderosakiefernharz und reiben sich damit ein. Die Indianerkinder machen sich aus den runden Blütenköpfen Halsketten. „Nicht leicht zu sehende, winzige Büffelkälbchen“ ist einer der vielen Namen, die sie dieser Kamille geben; „Präriehund-Parfüm“ ist ein weiterer Name. Die Blüten sind auch ein Heilmittel. Sie kommen in den Erkältungstee oder werden bei Magenverstimmung, Durchfall oder Fieber gekocht. Als wichtiges Frauenkraut wird es bei Menstruationsbeschwerden, zur schnelleren Austreibung der Nachgeburt oder als Stärkungsmittel nach der Geburt getrunken (Welschbillig 1997: 43). Mädchen bekommen den Tee zum Anlass ihrer ersten Monatsblutung zu trinken, wenn sie zum ersten Mal in die „Mondhütte“ abseits des Dorfes gehen. Die Nachbarn der Cheyenne, die Krähenindianer (Absaroka), streuen die getrockneten Blütenköpfe in die Kinderwiegen und Traggestelle für Säuglinge. Der Duft beruhigt die Kleinen und nimmt ihnen die Angst. Es gibt keinen Grund, die strahlenlose Kamille bei uns nicht ähnlich zu verwenden: Man kann sie in Duftkissen stopfen, einen Tee brauen, gegen Magenprobleme, Erkältung, zur Regulierung der Periode, als Wurmmittel zur Austreibung von Maden- und Spulwürmern oder – wie es die Weißen in Alaska machen, wenn sie zu tief in die Whiskeyflasche geschaut haben – um Kater und Schädelbrummen abzumildern. Nur Wunden lassen sich mit dieser Pflanze nicht heilen, da ihr das Chamazulen fehlt.
Der Efeublättrige Gundermann (Gundelrebe, Glechoma hederacea ) ist die erste Wildpflanze, die ich mit Namen kannte. Auch ihn würde ich gern mit in dieses Buch aufnehmen. Das tue ich aber nicht, da ich ihn schon an anderer Stelle ausführlich behandelt habe. Die Gundelrebe ist selbstverständlich eine hervorragende Heilpflanze, die aufgrund ihrer Saponine und ätherischen Öle schleimlösend wirkt. Der Teeaufguss oder, besser, der Auszug in heißer fettiger Milch ist angezeigt bei verschleimten Lungen, Bronchitis, Schnupfen, Schleimhautentzündung sowie bei Ohrenklingen, das durch Schleimansammlungen im Mittelohr entsteht. Aufgrund der in ihm enthaltenen Bitterstoffe regt der Gundermanntee die Verdauungssäfte an und fördert den Leberstoffwechsel. Maler und Büchsenmacher tranken ihn, um giftige Schwermetalle (Blei) auszuschwemmen. Dank seiner Gerbstoffe vermag er auch wundes, verletztes, eiterndes, wässriges, gequetschtes und schlecht heilendes Gewebe zu festigen und zu trocknen. Gundermann war einst auch, noch lange bevor die Benediktinermönche den Hopfen ins Bier taten, das gängige Bierkraut, mit dem man Bier würzte und haltbar machte.
Die Gundelrebe mag nicht in die Höhe wachsen, wie es sich für einen normalen Lippenblütler gehört. Ihre kriechenden Ausläufer, die den Rasen durchwuchern und durch Hecken und Zäune kriechen, bleiben dem Erdboden verhaftet. Mit den Adventivwurzeln, die aus jeder Sprossachse des Stängels hervortreiben, klammert sie sich förmlich an der Erde fest. Wenn man sich einen Gundelrebenkranz um den Kopf windet, ist es, als verbände sich die eigene Wahrnehmung mit der Erde oder, genauer, mit den Heinzelmännchen, jenen ätherischen Wesen, die die Wurzelwelt bevölkern. Solch ein Kranz, so hieß es einst, kann einen sensiblen Menschen hellsichtig machen, so dass er die Naturgeister sehen kann. Trägt man ihn zur Walpurgisnacht, so glaubte man, kann man die Hexen erkennen. Beim Springen über das Johannisfeuer zur Sommersonnenwende trug man gern
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