Mit reinem Gewissen
auf. Ab 1934 ist Walter Gröger im Jungvolk, erhält seine Uniform, später wird er Mitglied der HJ. Er ist wie so viele andere junge Männer nicht nur vom Boxsport und seinem Idol Max Schmeling berauscht, sondern auch vom aufkommenden Kriegsgefühl. Die Saat, die die NSDAP systematisch sät, geht auch bei ihm auf.
Seit 1938 besitzen die Grögers als eine der ersten Familien in Mohrau ein Radio. Bekannte und Nachbarn treffen sich bei ihnen in der Wohnstube, heftige Diskussionen für und wider Hitler werden geführt. Selbst in dieser Phase versucht die Mutter noch, eine Distanz zum verhassten System zu halten.
|105| Ihr einziger Verbündeter scheint jetzt der Dorfpfarrer zu sein, der jedem Braunhemd den Zutritt in seine Kirche verweigert. Doch der Pfarrer wird verschleppt und offiziell nach § 175 verurteilt wegen homosexueller Handlungen mit Minderjährigen. Bis dato hat sich keine Familie über diesen Pfarrer beschwert; er wird nie wieder gesehen. Anna Gröger ist sich indes sicher, dass der Widerstand hier durch Unrecht gebrochen werden soll. Der neue Pfarrer hält sich an die Vorgaben, teilt auch mit den Braunhemden die Hostien und predigt von der Kanzel vom Tausendjährigen Reich. Das muss in Annas Ohren mehr als bedrohlich klingen.
Eines Tages steht Alfred Gröger, der Vater und Ehemann, mitten in der guten Stube, gekleidet in die braune Uniform. Walter und seine Schwestern erleben daraufhin den schlimmsten Ehekrach, den sie bisher anhören mussten. Anna verbrennt die Uniform im Hof – ein Vergehen, das sie ins KZ bringen kann. Sie versucht alles, um ihre Familie wachzurütteln, ihr immer wieder die Augen zu öffnen.
Als auch Walter 1940 beschließt, sich freiwillig zum Militärdienst zu melden, weiß die Mutter, dass sie mit ihrer ablehnenden Haltung in der Familie allein bleiben wird. Sie spürt instinktiv die Gefahren, denen alle ihre Angehörigen ausgesetzt sind und die letztendlich viele ins Verderben stürzen werden. Sie tröstet sich damit, dass die Marine als relativ sicher gilt, im Gegensatz zum Heer einen guten Ruf genießt und weit weg von der Front zu sein scheint, an der tagtäglich gestorben wird. So rät sie ihrem einzigen Sohn zu dieser Alternative. 1940 meldet sich Walter Gröger bei der Marine. Fast zeitgleich wird sein Vater an die Ostfront geschickt.
Und Hans K. Filbinger?
Filbinger, am 16. 9. 1913 geboren, stammt aus einer großbürgerlichen Familie. Er ist ein Paradebeispiel des elitären, akademisch gebildeten Typus von Tätern, die dann im Auftrag des Naziregimes systematisch dessen Ideologie vertreten. In Freiburg ist |106| er von 1933 bis 1936 als Mitglied des SA-Studentensturms registriert und tritt ganz bewusst in brauner Uniform auf. Wir reden hier nicht von einem 8-jährigen »Pimpf«, der der HJ beitreten muss, sondern von einem erwachsenen Mann, der sehr wohl weiß, welche Gesinnung er vertritt.
Dies bezeugt ein Artikel, den Filbinger 1935 in der Zeitschrift »Werkblätter« (Heft 5 – 6, April 1935) verfasste, herausgegeben vom ND-Älterenbund (ND = Neudeutschland). Hier umschreibt er das Nazirecht als beispielhaft und rühmt die Verbesserungen gegenüber der Weimarer Republik.
Erst der Nationalsozialismus schuf die geistigen Voraussetzungen für einen wirksamen Neubau des deutschen Rechts und in der Tat sind die Arbeiten schon so weit fortgeschritten, daß das deutsche Volk in Bälde sein neues Strafgesetzbuch erhalten wird […]
Das Verbrechen gegen den Staat ist darum kein Schlag gegen eine bürokratische Institution, sondern Angriff gegen den Bestand der Volksgemeinschaft, also schwerstes Verbrechen, das die Rechtsordnung überhaupt kennt […]
Die Volksgemeinschaft ist nach nationalsozialistischer Auffassung in erster Linie Blutsgemeinschaft. Diese Blutsgemeinschaft muß rein erhalten und die rassisch wertvollen Bestandteile des deutschen Volkes planvoll vorwärtsentwickelt werden […]
Schädlinge am Volksganzen jedoch, deren offenkundiger verbrecherischer Hang immer wieder strafbare Handlungen hervorrufen wird, werden unschädlich gemacht […]
Es darf nicht vergessen werden, daß ein Gesetz nur dann Eingang beim Volk findet, wenn es durch lebendige Richterpersönlichkeiten gesprochen und verkörpert wird.
1937 tritt Hans Karl Filbinger der NSDAP bei, 1940 meldet er sich – ebenfalls freiwillig – zur Marine. Am 21. März 1943 wird er zum Marinerichter im Dienstbereich des Marineoberstkriegsgerichtsrates für den Nordseebereich berufen. Zu der Zeit sind
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