Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 2
zwar nur ein gewöhnlicher Chemiker mit dem Fachgebiet organische Chemie, aber ich weiß auch etwas über Astronomie. In der Tat wurde die gesamte Mathematik, die man braucht, um mit der Dynamik der Asteroiden fertig zu werden, in den achtziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts von Isaac Newton entwickelt.
Die Bewegung eines Asteroiden ist allein abhängig von den Schwerkrafteinflüssen, denen er unterworfen ist, und Newtons Gleichung ermöglicht es, die Stärke dieses Einflusses zwischen zwei beliebigen Körpern zu errechnen, wenn die Masse beider Körper und ebenfalls die Entfernung zwischen ihnen bekannt ist. Wenn viele Körper darin verwickelt sind und sich die Entfernungen zwischen ihnen ständig ändern, werden die mathematischen Berechnungen natürlich langwierig – nicht schwierig, nur langwierig.
Der hauptsächliche Schwerkrafteinfluß auf einen jeden Asteroiden ist natürlich der der Sonne. Jeder Asteroid bewegt sich in einer elliptischen Kreisbahn um die Sonne, und wenn es nur die Sonne und den Asteroiden gäbe, könnte man die Umlaufbahn mit Newtons Gleichung genau berechnen. Da es jedoch auch andere Körper gibt, müssen auch deren Schwerkrafteinwirkungen, die viel kleiner sind als der der Sonne, und die daher auch kleinere Auswirkungen erzielen, mitberücksichtigt werden. Im allgemeinen kommen wir der Wahrheit jedoch schon sehr nahe, wenn wir nur die Sonne berücksichtigen.«
»Ich glaube, Sie vereinfachen die Sache etwas, Jim«, sagte Avalon. »Um Ihrer Bescheidenheit nachzueifern – ich mag zwar nur ein bescheidener Patentanwalt sein, und ich werde nicht vorgeben, überhaupt etwas über Astronomie zu wissen, aber habe ich nicht mal gehört, daß es keine Möglichkeit gibt, die Gravitationsgleichung für mehr als zwei Körper zu lösen?«
»Das stimmt«, sagte Drake, »wenn Sie damit eine allgemeine Lösung für alle Fälle meinen, die mehr als zwei Körper beinhalten. Es gibt einfach keine. Newton hat die allgemeine Lösung für das Zwei-Körper-Problem erarbeitet, doch bis zum heutigen Tag ist es niemandem gelungen, sie für das Drei-Körper-Problem zu lösen, geschweige denn für noch mehr Massen. Dabei kommt es jedoch darauf an, daß nur Theoretiker an dem Drei-Körper-Problem interessiert sind. Astronomen errechnen die Bewegung eines Körpers, indem sie zuerst den beherrschenden Schwerkrafteinfluß errechnen und ihn dann Schritt um Schritt durch die Einführung der geringeren Schwerkrafteinflüsse korrigieren. Das funktioniert gut genug.« Er lehnte sich zurück und schaute selbstgefällig drein.
»Nun«, sagte Gonzalo, »wenn nur Theoretiker an dem Drei-Körper-Problem interessiert sind, und Moriarty ein hochkarätiger Mathematiker war, dann muß sich seine Arbeit mit diesem Thema befassen.«
Drake zündete sich eine neue Zigarette an, was einen sofortigen Hustenreiz bei ihm auslöste. »Es hätte das Liebesleben der Giraffen sein können, wenn Sie so wollen«, sagte er dann, »doch wir müssen uns nach dem Titel richten. Wenn Moriarty das Drei-Körper-Problem gelöst hätte, hätte er seine Arbeit etwa Eine Analyse des Drei-Körper-Problems oder Die Verallgemeinerung des Gesetzes der universellen Gravitation genannt, aber nicht Die Dynamik eines Asteroiden.«
»Was ist mit den planetaren Auswirkungen?« sagte Halsted. »Ich habe etwas darüber gehört. Gibt es nicht Lücken im Raum, wo es keine Asteroiden gibt?«
»Oh, natürlich«, sagte Drake. »Wir können die Daten in der Columbia Encyclopedia finden, wenn Henry sie uns bringen würde.«
»Nicht nötig«, sagte Halsted. »Erzählen Sie uns einfach, was Sie darüber wissen, und wir können die Daten später nachschlagen, wenn es sein muß.«
»Mal sehen«, sagte Drake. Er genoß es sichtlich, nun die Richtung zu bestimmen, in die das Gespräch verlief. Sein unscheinbarer grauer Schnurrbart zuckte, und seine unter feinen Falten liegenden Augen schienen zu funkeln.
»Es gab einen amerikanischen Astronomen namens Kirkwood, und sein Vorname lautete, glaube ich, Daniel«, sagte er. »Irgendwann Mitte des neunzehnten Jahrhunderts wies er darauf hin, daß sich die Asteroidenlaufbahnen in Gruppen zusammenzuballen scheinen. Damals waren ein paar Dutzend davon bekannt, alle zwischen den Umlaufbahnen von Mars und Jupiter, doch wie Kirkwood aufzeigte, waren sie nicht gleichmäßig verteilt. Er wies nach, daß es Lücken gab, in denen keine Asteroiden kreisten.
Etwa 1866 – oder so ungefähr, ich bin mir jedoch ziemlich sicher, daß es
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