Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 2
Es gibt keinen Grund, warum Sherlock Holmes’ Geist lediglich auf den Homo sapiens beschränkt sein soll. Jeder, der Filme mit Rin Tin Tin oder Lassie gesehen hat, weiß sehr genau, daß Hunde intelligenter als Menschen sind. Nun denn…
PHILIP JOSE FARMER (als Jonathan Swift Somers III)
Eine Scharlach-Studie
Nachgedruckt aus den Erinnerungen des verstorbenen Dr. med. Johann H. Weißstein, Medizinische Abteilung der Autobahnpolizei.
Vorwort
Ralph von Wau Waus erster Fall als Privatdetektiv ist nicht sein kompliziertester oder seltsamster. Er illustriert jedoch bemerkenswert gut die besonderen Talente meines Kollegen. Und es ist schließlich sein erster Fall, und man sollte bei dieser Chronik chronologisch vorgehen. Es ist auch der erste Fall, von dem ich weiß, bei dem nicht das Gemälde, sondern der Maler gestohlen wurde. Und er ist für mich höchst erinnerungswürdig, da ich durch ihn die Frau traf, die für mich immer die Frau sein wird.
Fassen Sie diese Szene ins Auge. Von Wau Wau; sein Gegenspieler, Hauptkommissar Straße; ich selbst; und die liebliche Lisa Scharlach, die alle vor einem großen Gemälde im Hinterraum einer Polizeiwache in Hamburg stehen. Von Wau Wau betrachtet das Bild, während wir uns fragen, ob er mit seiner Behauptung recht hat, daß es sich nicht nur um ein Kunstwerk, sondern auch um eine Landkarte handelt. Die Leinwand zeigt unter anderem Sherlock Holmes in Lederhosen, Sir Francis Bacon, ein grünes Pferd, einen Spiegel, den aus dem Grab auferstehenden Christus, Tarzan, eine Weste, den Zauberer von Oz in einem Ballon, einen König des alten Babylon mit einem Gewichtsproblem und einen Bananenbaum.
Doch lassen Sie mich am Anfang anfangen.
1. Kapitel
HERR RALPH VON WAU WAU
Im Jahre 1978 bekam ich von der Universität zu Köln meinen Titel als Doktor der Medizin und zog nach Hamburg, um die Laufbahn einzuschlagen, die für Chirurgen der Autobahnpolizei vorgeschrieben ist. Nachdem ich dort meine Studien abgeschlossen hatte, wurde ich dem Fünften Nordrheinwestfälischen Anti-Ölnapper als Assistenzchirurg zugeteilt. Der Feldzug gegen die berüchtigte Rottenfranzer-Bande brachte vielen Ehren und Beförderungen, doch für mich war er ein einziges Unglück und Elend. Bei der fatalen Schlacht an der Emmerich-Ausfahrt wurde ich von einer Kugel getroffen, die meinen Schulterknochen durchschlug. Ich wäre dem mörderischen Rottenfranzer persönlich in die Hände gefallen, wäre da nicht Morgen gewesen, mein Krankenpfleger, der mich voller Mut und Hingabe in einen Volkswagen warf und mich daraufhin sicher durch die Linien der Autobahnpolizei fuhr.
Im Stützpunkt-Hospital in Hamburg (und es war wirklich ein Stützpunkt) schien ich mich auf dem Weg der Besserung zu befinden, als mich eine äußerst seltene Krankheit erneut niederwarf. Zumindest habe ich nur von einem einzigen anderen dem meinen vergleichbaren Fall gelesen. Dieser betraf eigentümlicherweise die Leiden eines anderen Arztes, obwohl er Engländer war und vor hundert Jahren auf einem anderen Kontinent seinen Verletzungen erlag. Mein Fall erschien in den medizinischen Zeitschriften und danach in den Zeitungen der ganzen Welt. Das Leiden selbst wurde im Volksmund als »die wandernde Krankheit« bekannt, obwohl der wissenschaftliche Name, den ich aus verständlichen Gründen vorziehe, »Weißsteins Syndrom« lautet. Der volkstümliche Name ergab sich aus der Tatsache, daß die gelegentlichen Leiden, die die Krankheit mir bescherte, nicht an der Stelle der ursprünglichen Verletzung verblieben. Manchmal wanderte der Schmerz hinab und nistete sich in einem Bein ein. Dies war, wissenschaftlich gesprochen, ein cause celèbre, und das Geheimnis wurde auch erst ein paar Jahre später gelöst (In Die Wunder der Wandernden Wunde; noch nicht erschienen).
Doch ich riß mich zusammen, und schon bald ging es mir wieder so gut, daß ich durch die Station gehen oder humpeln und mich sogar ein wenig auf der Veranda sonnen konnte, wenn der Smog oder Nebel es erlaubte, als ich von dem Weltschmerz ergriffen wurde, dem Fluch Mitteleuropas. Wochenlang verzweifelte mein Verstand daran, und als ich schließlich wieder zu mir fand, waren sechs Monate vergangen. Da meine Gesundheit vielleicht nicht unwiederbringlich ruiniert, doch alle Fähigkeit, als Chirurg das Messer zu führen, verschwunden war, wurde ich von einer väterlichen Regierung mit der Erlaubnis entlassen, sie den Rest meines Lebens zu verbessern. (Die
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