Mit Sherlock Holmes durch Raum und Zeit 2
Maler. Seine Zeichnungen waren bis vor zehn Jahren, als er die Fauve Mauve-Schule begründete, recht konventionell. Er kennt sich sowohl in der deutschen wie auch der amerikanischen Literatur aus und schätzt die Werke von Frank Baum und Lewis Carroll. In seinen Gemälden verwendet er oft Charaktere aus ihren Werken. Beide Schreiber schätzten übrigens Wortspiele.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewußt«, sagte ich verärgert. Schließlich läßt man sich nicht gern von einem Hund vorwerfen, man habe keine Bildung. »Und was hat das alles zu bedeuten?«
»Es kann alles oder nichts bedeuten.«
Etwa zehn Minuten später befanden wir uns in einem großen Raum, in dem viele Gegenstände, das Strandgut des Verbrechens, ausgestellt waren. Frau Scharlach führte uns zu dem Gemälde (obwohl wir keinen Führer gebraucht hätten), und wir standen davor. Straße musterte uns argwöhnisch von der Seite her. Ich konnte mir keinen Reim auf das Bild machen und sagte dies auch, obwohl ich Frau Scharlach nicht beleidigen wollte. Sie lachte jedoch und sagte, diese Reaktion habe sie schon bei vielen Menschen erlebt.
Ralph betrachtete das Bild lange. »Vielleicht trifft meine Vermutung zu«, sagte er dann. »Wir werden sehen.«
»Welche Vermutung?« sagte Straße, kam näher und beugte sich vor, um sich die vielen Gestalten auf der Leinwand anzusehen.
»Wir können annehmen, daß Frau Scharlach sämtliche Arbeiten ihres Gatten kennt – bis zu der Zeit, da er verschwand. Diese tauchte danach auf, und so können wir davon ausgehen, daß er sie innerhalb der beiden letzten Monate malte. Es ist offensichtlich, daß er nicht wegen eines Lösegelds entführt wurde, sondern des Geldes wegen, das man mit dem Verkauf neuer Bilder machen kann. Die Entführer müssen ihn mit dem Tode bedroht haben, falls er keine Bilder für sie malt. Er hat zumindest eins für sie gemalt, wahrscheinlich jedoch mehrere – oder er ist gerade dabei.
Zwar kann man die Scharlachs nicht auf dem offenen Markt verkaufen, doch es gibt genug Fanatiker und skrupellose Sammler, die sehr große Summen für ihre Privatsammlung ausgeben. Lausitz gehörte dazu. Scharlach wird gefangengehalten. Nehmen wir an, er möchte gern entkommen. Er kann zwar nicht fliehen, aber er ist ein intelligenter Mensch und hat sich eine Möglichkeit einfallen lassen, eine Nachricht herauszuschmuggeln. Er weiß, daß seine Gemälde verkauft werden, selbst, wenn man es ihm nicht gesagt hat. Ergo – warum nicht eine Nachricht in einem Gemälde verstecken?«
»Wie wundervoll!« sagte Frau Scharlach und tätschelte Ralphs Kopf. Ralph wedelte mit dem Schwanz, und ich empfand plötzlich Eifersucht.
»Unsinn!« knurrte Straße. »Er muß gewußt haben, daß das Bild an einen Privatsammler ging, der nicht verraten würde, daß Scharlach gefangengehalten wird. Erstens wäre er wegen Beteiligung an einem illegalen Verkauf ins Gefängnis gekommen, und zweitens: Wieso sollte er vermuten, das Bild enthielt eine Nachricht? Und drittens: Ich glaube nicht, daß es eine Nachricht enthält!«
»Scharlach ist verzweifelt. Und bereit, nach jedem Strohhalm zu greifen«, sagte Ralph. »Wenigstens wäre das besser, als gar nichts zu unternehmen. Er hätte darauf hoffen können, daß den Sammler das Gewissen plagt und er alles der Polizei gesteht. Wie ich zugebe, ist dies jedoch nicht sehr wahrscheinlich. Er hätte aber annehmen können, daß der Sammler der Versuchung nicht widerstehen konnte, das Bild ein paar engen Freunden zu zeigen. Vielleicht hätte einer von ihnen Anzeige bei der Polizei erstattet, und das Bild wäre auf diese Art in die Hände der Polizei gelangt. Und unter den Beamten wäre vielleicht ein intelligenter und gebildeter Mensch gewesen, der die Bedeutung des Gemäldes erkannt hätte. Ich gestehe jedoch ein, daß keine dieser Theorien sehr wahrscheinlich ist.«
Straße schnaubte.
»Und dann bestand noch die sehr geringe Chance – die aber immerhin vorhanden war –, daß der Sammler sterben würde. Und so würde bei der Taxierung seines Erbes ein Scharlach auftauchen. Und irgend jemand wäre vielleicht imstande, die Bedeutung dieses Bildes zu erkennen – falls es eine gibt.«
»Genau das wollte ich gerade sagen«, meinte Straße.
»Wenn es sich wirklich so zugetragen hat, wie Sie behaupten«, fuhr er fort, »hätten seine Entführer das Bild nicht verkauft, ohne es überprüft zu haben. Das erste, was sie vermutet hätten, wäre doch, daß es eine verborgene Nachricht enthält. Das
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