Mitten in der Nacht
der falschen Frau verheiratet, ginge einem Beruf nach, den er nicht ausstehen konnte, und führte ein Leben, das ihn nur halb befriedigte. Diese Sorge hätte ich mir sparen können.«
Er lehnte sich an den Baluster und schaute durch die geöffneten Türflügel in den Ballsaal. »Sein Kopf und sein Herz verfolgten nie den Pfad, den wir – seine Mutter und ich – für ihn bereitet hatten. Das wollten wir nicht wahrhaben, also nahmen wir es lange Zeit nicht zur Kenntnis.«
»Sie wollten doch nur das Beste. Die Leute glauben eben, dass das, was für sie das Beste ist, auch für die Menschen das Beste sei, die sie lieben.«
»Ja, und Declan ist von seinem Naturell her so veranlagt, dass er diejenigen, die er liebt, mit allen Mitteln glücklich zu machen versucht. Er liebt Sie.«
Als Lena darauf nichts erwiderte, wandte Patrick sich direkt an sie. »Sie sagten, er sei starrköpfig. Es ist mehr als das. Wenn Declan ein Ziel vor Augen hat, eine Vision verfolgt, wird sein Kopf hart wie Granit. Er wird sich weder durch Hindernisse oder Ausflüchte noch lauwarme Proteste davon abhalten lassen. Wenn Sie ihn nicht lieben, Lena, wenn Sie ihr Leben nicht mit ihm teilen wollen, dann verletzen Sie ihn. Verletzen Sie ihn schnell und tief. Und gehen Sie dann.«
»Ich möchte ihn nicht verletzen. Das ist ja der springende Punkt und das Problem.«
»Er hat nicht geglaubt, in der Lage zu sein, jemanden zu lieben. Das hat er mir gesagt, nachdem er mit Jessica Schluss gemacht hatte. Er sagte, er habe diese Art Liebe nicht in sich. Jetzt weiß er, dass er sie hat, und das hat Wunder bewirkt. Sie haben bereits sein Leben verändert, und zwar einschneidend. Jetzt müssen Sie entweder seine Liebe erwidern oder ihn verlassen. Alles dazwischen wäre grausam, und Sie sind nicht grausam.«
Sie hob die Hand und schloss ihre Finger um den Schlüssel an seiner Kette, dann ließ sie sie nervös auf die Flügel fallen, die an ihrer Brust steckten. »Er ist nicht das, womit ich gerechnet hatte. Er ist nicht der, den ich gesucht habe.«
Da lächelte er sie freundlich an und tätschelte ihre Hand. »Das Leben ist voller Überraschungen, nicht wahr? Und manche davon sind ein echtes Fiasko.« Dann beugte er sich zu ihr hinab und küsste sie auf die Wange. »Wir sehen uns wieder«, sagte er und ließ sie allein.
Nachdem Braut und Bräutigam mit einem Konfettiregen verabschiedet worden waren – Declan stellte sich darauf ein, die Konfetti in den nächsten sechs Monaten im Garten, seinen Kleidern und vermutlich auch in seinem Essen zu finden –, ging das Fest noch gut zwei Stunden weiter.
Man spielte heiße Musik und die Gäste waren glücklich. In den frühen Morgenstunden brachen einige zu ihren Autos auf. Andere musste man tragen, und es waren nicht nur Kinder.
Declan stand in der Biegung seiner Eingangstreppe und sah zu, wie die letzten Gäste wegfuhren. Im Osten verblasste der Himmel bereits, ein sanftes Nachlassen der Dunkelheit. Noch während er dastand, sah er einen Stern erlöschen.
Der Morgen brach an.
»Du musst müde sein«, meinte Lena von der Galerie über ihm.
»Nein.« Er richtete seinen Blick unverwandt auf den Himmel. »Ich sollte, aber ich bin es nicht.«
»Du wirst mindestens eine Woche brauchen, um hier alles aufzuräumen.«
»Nein, nein. Die Generalin und ihre Truppen rücken morgen an und kümmern sich darum. Man hat mir befohlen, ihnen aus dem Weg zu gehen, und ich habe kein Problem, dieser Weisung zu gehorchen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass du bleibst.«
»Ich auch nicht.«
Jetzt drehte er sich um und sah zu ihr hoch. Die klassische Romeo-und-Julia-Pose, überlegte er, und hoffte auf einen besseren Ausgang. »Warum bist du geblieben?«
»Ich weiß nicht recht. Ich weiß nicht, was ich mit dir anstellen soll, Declan. Ich schwöre bei Gott, ich weiß es einfach nicht. Männer waren nie ein Problem für mich. Mag sein, dass ich ein Problem für sie war«, ergänzte sie mit einem müden Lächeln. »Aber du bist der Erste, der eins für mich ist.«
Er ging zu ihr hoch. »Keiner von ihnen hat dich geliebt.«
»Nein, keiner von ihnen hat mich geliebt. Gewollt, ja. Auch begehrt, aber das ist das Leichteste. Mit Bedürfnissen kann man sorglos umgehen. Aber weißt du was – manchmal, eigentlich meistens, habe ich diese Sorglosigkeit genossen. Nicht bloß den Sex, sondern den Tanz. Das Spiel. Wie immer du das Werben nennen willst, das gar kein Werben ist. Wenn die Musik aufhört oder das Spiel vorbei ist, mögen
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