Mittsommerzauber
gespielter Strenge ins Wort. »Wehe, du stehst auf! Was glaubst du, weshalb ich hier bin?«
Britta verzog das Gesicht. »Nicht, um mich rumzukommandieren. Ich wollte nur die Milch rausholen.«
»Das mache ich. Kaffee, Saft, Toast - was immer du willst, ich hole es.« Ohne mit dem Reden aufzuhören, öffnete Eva den Kühlschrank und inspizierte die gut sortierten Vorräte. »Möchtest du Käse? Fleischbällchen? Fischsalat?«
Britta grinste und verschränkte die Hände über dem Bauch. »Habe ich gerade Fischsalat gehört? Zum Frühstück?«
»Ich dachte, Schwangere haben die absonderlichsten Vorlieben«, gab Eva zurück.
Britta lachte. »Am Anfang war das wirklich so. Da hätte ich kiloweise Schafskäse verdrücken können.«
»Schafskäse? Was ist daran unnormal?«
»Ich habe ihn mit Nugatcreme gegessen«, sagte Britta trocken.
»Oh.«
»Ganz recht. Ein Sakrileg, vor allem bei Gustavs Käse.«
»Wer ist Gustav?«
»Ein Schafbauer. Hat seinen Hof hier ganz in der Nähe, fünf Minuten mit dem Rad. Ist ein komischer alter Kauz. Die Leute mögen ihn nicht, aber das stört ihn nicht weiter. Er lebt ganz allein mit seinem Hund da draußen, hält aber alles prächtig in Schuss. Seine Wolle ist die beste in der ganzen Gegend. Und wenn man seinen Käse probiert hat, will man keinen anderen mehr.«
»Wenn es derselbe Käse ist, den ich bei meinem letzten Besuch hier gegessen habe, hast du völlig Recht.« Eva holte das Käsebrett aus dem Kühlschrank, trug es zum Tisch und nahm den Deckel ab. Mit spitzen Fingern zupfte sie ein Stück von dem cremigen Weichkäse und schob es sich in den Mund. »Mhm!« Sie schloss die Augen und ließ das milde und dennoch würzige Aroma auf der Zunge zergehen. »Stimmt, davon kann man wirklich kiloweise essen. Sogar ohne schwanger zu sein.«
Britta streckte die Hand nach dem Käsemesser aus, doch mitten in der Bewegung erstarrte sie. Alarmiert beobachtete Eva, wie ihre Freundin die Hände gegen den Bauch presste und sich zusammenkrümmte.
»Was ist los?«
Britta atmete durch und richtete sich wieder auf. »Da übt nur jemand für die Boxweltmeisterschaften.« Sie lächelte schwach. »Jetzt guck nicht so erschrocken. Das ist ganz normal.«
Eva war anderer Ansicht. »Du legst dich sofort hin.« Der Schreck steckte ihr noch in den Gliedern, als sie Britta half aufzustehen und sie mehr oder weniger auf das Sofa im Wohnzimmer nötigte. Britta ließ es sich zuerst murrend, dann mit zunehmender Belustigung gefallen, dass Eva sie stützte und ihr ein Kissen unter die hochgelegten Füße packte.
»Soll ich einen Arzt rufen?«
»Wozu? Ich bin kerngesund.«
»Und wenn das Kind kommt?«
»Glaub mir, das würde ich merken.«
»Gut. Auf jeden Fall bleibst du jetzt erst mal liegen.«
»Zum Ausruhen habe ich eigentlich keine Zeit.«
»Wenn du deinen Laden meinst - der läuft auch ohne dich. Überlass das einfach mir.«
Britta wollte aufbegehren, doch dann verzog sie das Gesicht und legte abermals die Hände gegen ihren Bauch. »Meine Güte, da hat anscheinend noch jemand Hunger aufs Frühstück.« Sie seufzte, dann fügte sie achselzuckend hinzu: »Wahrscheinlich hast du Recht, ich sollte kürzer treten.«
»Deswegen bin ich schließlich hergekommen«, pflichtete Eva ihr bei.
Britta machte keinen Versuch mehr, zu widersprechen, im Gegenteil. Eine kleine Falte erschien zwischen ihren Brauen, während sie sich bequemer hinlegte und sich seitlich aufstützte. »Du hast Recht, es wird alles ziemlich beschwerlich. Es fängt schon damit an, dass man sich die Schuhe nicht mehr zubinden kann.« Sie lächelte schwach. »Im Prinzip muss ich Henning wohl dankbar sein, dass er dir gleich vier Wochen freigegeben hat. Ohne dich könnte ich den Laden wahrscheinlich zumachen.«
Das war, wie Eva wusste, maßlos übertrieben. Britta hätte mit ihrem untrüglichen Geschäftssinn und ihrem Gespür für praktische Dinge in null Komma nichts eine andere Lösung aus dem Hut gezaubert, wenn es nötig gewesen wäre. Sie hätte beispielsweise Malin einspannen können, die Britta ohnehin des Öfteren im Laden zur Hand ging. Dennoch tat es gut, sich unentbehrlich zu fühlen, und wenn es nur für eine kurze Zeit war. Es war ein schlichtes, aber verständliches menschliches Bedürfnis, wichtig für jemanden zu sein. Und das war nicht der einzige Grund, warum sie sich so sehr gewünscht hatte, die letzten Wochen vor Brittas Niederkunft hier zu verbringen. Sie hatte aus Linköping rausgemusst, weil sie es einfach
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