Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
einfach zu vorhersehbar, es sei denn, es sind irgendwie schräge Mäntel, was die hier nicht sind.
Krähe lächelt ihr schüchternes Lächeln, und Henry stellt uns vor. Die Männer halten uns die Hand hin und sagen, sie sind von irgendeinem Konzern, von dem ich noch nie gehört habe. Einer ist Engländer, einer Amerikaner und einer Deutscher, glaube ich, auch wenn er kaum einen Akzent hat, so dass es schwer zu sagen ist. Das Reden übernimmt der Amerikaner. Umständlich erklärt er, wie beeindruckt sie sind, dass ein Kleid von Krähe im Victoria-&-Albert-Museum ausgestellt ist und wie schnell ihre erste Kaufhauskollektion bei Miss Teen letzten Winter ausverkauft war.
Es stimmt. Krähe macht ihre Entwürfe vielleicht bei uns im Keller, aber eins ihrer Kleider wurde von einer jungen Schauspielerin bei der Oscar-Verleihung getragen (klingt toll, aber wie es dazu kam, hat mich den letzten Nerv gekostet) und ihre Miss-Teen-Partykleider sind heißgeliebte eBay-Bestseller. Im Gegensatz zu meinen Entwürfen, die im selben Keller entstanden sind und die gerade mal für die Prüfungen in Textilem Gestalten gereicht haben. Wenigstens habe ich eine Eins bekommen. Juhu!
Krähes Blick wird nach kurzer Zeit glasig. Über alte Sachen zu reden, interessiert sie nicht besonders. In Gedanken ist sie längst bei den Sachen, die sie jetzt vorhat. Das ist einer der Gründe, warum sie mich als Managerin braucht. Ich bin für das Hätscheln zuständig, und wenn es sein muss, auch für das Gehätscheltwerden.
Nervigerweise weichen die Männer meinem Blick beharrlich aus. Stimmt etwas nicht mit mir? Habe ich Cappuccino-Schaum an der Lippe? Obwohl ich diejenige bin, die nickt und »auf jeden Fall« und »hochinteressant« sagt, reden sie unbeirrt auf Henry ein (der Mode hasst und einen GELBEN FLEECE-PULLOVER trägt, mon dieu!) und auf Krähe, die offensichtlich nicht zuhört.
Irgendwann gebe ich auf. Ich habe andere Sorgen im Moment. Zum Beispiel wie kalt es in diesem Pariser Winter ist, wenn man nur einen Kimono anhat, und wie blöd es von mir war, dass ich meinen bestickten Pashmina (Geschenk meiner Großmutter) in Papas Wohnung liegen gelassen habe. Und dass MEIN BRUDER MÖGLICHERWEISE EIN SUPERMODEL HEIRATET.
Der Amerikaner starrt immer wieder hinter mich. Als ich mich umdrehe, entdecke ich einen Menschenauflauf vor dem Seiteneingang des Zelts. Jeder Fotograf, der in der Nähe ist – und das sind viele –, stürmt hin. Irgendjemand Mega-Berühmtes kommt da gleich raus. Und dann entdecke ich einen Kranz blonder Locken und sehe Isabelle Carruthers im Leuchtfeuer der Blitze – wie ein Reh vor den Scheinwerfern – und die Meute der Paparazzi, die sie mit Fragen bombardiert.
Ein großer, gutaussehender junger Mann mit verwuschelten Haaren stellt sich neben Isabelle. Mein Bruder. Die Blitze zucken wie verrückt. Harry legt schützend den Arm um sie. Ich versuche mitzukriegen, was sie antworten, aber wir sind zu weit weg. Was sie jedenfalls nicht tun, ist, den Kopf schütteln und so tun, als hätten sie keine Ahnung, wovon die Meute redet. Im Gegenteil. Harry küsst Isabelle vor den Kameras und grinst dabei.
Vielleicht stimmt es doch. Ich sehe zwar keinen Verlobungsring, aber Isabelle streicht über die leere Stelle an ihrem Finger, als könnte dort jede Minute ein Klunker auftauchen.
In der Zwischenzeit hat der Deutsche den Amerikaner abgelöst. Ich höre Wörter wie »Investitionsvehikel« und »Archivpotenzial« und »große Durchbruchschance«. Im Vergleich zu »dein Bruder wird heiraten« werden sie von meiner Richter-Skala nicht mal registriert.
Krähes Blick ist immer noch glasig. Ich stelle wieder auf Durchzug und beobachte Isabelles und Harrys Körpersprache. Isabelle lächelt und wirft ihr Haar zurück. Immerhin ist sie Supermodel. Harry wirkt ein bisschen genervt, aber so wie er sich an Isabelle rankuschelt, sieht er aus wie ein Mann, der gestern Abend mit dem schönsten Mädchen der Welt durch Paris geschlendert ist und beschlossen hat, den Abend mit einem Heiratsantrag abzurunden.
Er hätte es wenigstens erwähnen können. Dann hätte ich ihnen gratulieren können, bevor es jeder Paparazzo in Paris und praktisch jeder Moderedakteur der Welt getan hat.
Inzwischen haben die Männer in den Kamelhaarmänteln wieder die Hände ausgestreckt. Der Engländer sieht mich merkwürdig an, als hätte er genau bemerkt, dass ich nicht aufgepasst habe. Ich würde ihm ja erklären, was los ist, aber es würde einfach zu bescheuert
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