Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
auf. Wir tun so, als wollten sie nur ihre Koffer auspacken. Mum macht heißen Kakao für Krähe und Cappuccino für mich (meine neue Sucht – nur den Trick, wie man beim Trinken den Milchbart vermeidet, hab ich noch nicht raus) und redet ununterbrochen davon, wie perfekt Isabelle für Harry ist und wie sie immer gehofft hat, Harry würde mal die Richtige finden, und wie unglaublich es ist, dass er es so schnell geschafft hat – er ist erst dreiundzwanzig –, und wie schnell einigen sie sich wohl auf einen Termin?
Sobald sich eine Gelegenheit ergibt, gehe ich mit Krähe hoch in mein Zimmer und wir lassen uns auf zwei Sessel fallen und starren uns einfach nur an.
»Es wird sich einiges ändern«, sagt sie.
Ich nicke. Ich habe Tränen in den Augen. Ich will nicht, dass sich etwas ändert. Mir gefällt es so, wie es ist.
Ich sehe mich in meinem Zimmer um: die uralten Poster aus dem Victoria-&-Albert-Museum, die Wand mit den Vogue- Fotos, die ich ausgeschnitten und mit Tesafilm angeklebt habe, die Tagesdecke mit den Schmetterlingen, die ich habe, seit ich zehn bin, der Blick durchs Fenster auf die Baumwipfel – das ganze vertraute Durcheinander. Ich wollte aufräumen, bevor wir nach Paris gefahren sind, aber irgendwie habe ich es nicht geschafft, und ehrlich gesagt sieht es noch schlimmer aus als sonst. Der Schrank steht offen und mehrere Leggings versuchen aus dem unteren Fach zu fliehen. Meine Schalkollektion baumelt verwegen von einer Tür, und nach den T-Shirts, Oberteilen und Unterhosen auf dem Boden zu urteilen, kann es gut sein, dass die Kommode leer ist.
Mum hat mich gebeten, vor der Reise meine Zeitschriftensammlung durchzusehen (womit sie meinte, die meisten wegzuwerfen), aber ich habe bis jetzt nur verschiedene Stapel in der Zimmermitte errichtet, was wie moderne Kunst aussieht. Der Stapel vor meinem Sessel gibt einen guten Fußschemel ab. Ich lege die Füße hoch und greife nach einer alten Grazia -Ausgabe, um mich abzulenken, während Krähe meine Büchersammlung durchgeht, wie immer auf der Suche nach Lesefutter. Natürlich sucht sie nicht nach Romanen von Charles Dickens oder Jane Austen oder so was, sondern eher nach der Geschichte der Plateausohle im Wandel der Zeit.
Krähe sagt immer noch nichts. Ich weiß genau, was sie meint.
Sie meint: »Ich habe Harry auch lieb, und es tut mir leid, dass wir in Zukunft weniger von ihm zu sehen bekommen.« Sie meint: »Deine Mutter dreht völlig durch, oder? Wie kommt es, dass sie plötzlich so viel redet? Normalerweise ist sie zu beschäftigt, um auch nur Hallo zu sagen.« Sie meint: »Ich sehe dir an, dass dir irgendwas zu schaffen macht. Ich weiß zwar nicht was, aber wenn du reden willst, bin ich da. Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst.«
»Krähe?«, sage ich irgendwann.
Sie sieht von dem Foto eines wattierten goldenen Plateauschuhs von Salvatore Ferragamo auf. »Ja?«
»Danke.«
Sie lächelt und nickt. Sie fragt mich nicht wofür. Ich kenne sie, seit ich vierzehn war und sie zwölf. Den Großteil der letzten Jahre hat sie praktisch bei uns zu Hause verbracht. Sie weiß Bescheid.
Am nächsten Morgen haben wir in der Schule drei Stunden BWL. Das genaue Gegenteil von McQueen. Ich sitze allein in der letzten Reihe und entwerfe im Kopf das Outfit, mit dem ich auf der Modenschau cool ausgesehen hätte. Erst in der Pause schaffe ich es, mit Edie zu reden, die bestimmt alles über unsere Reise wissen will.
Edie ist bildhübsch, blond und hochintelligent, und ich dachte immer, sie wäre heimlich in Harry verliebt, bis sie mit ihrem neuen Freund zusammengekommen ist, dem süßen Phil. Er lebt in Kalifornien, und das »Zusammensein« besteht hauptsächlich aus Chatten, E-Mailen und von ihm Schwärmen. Ich frage mich, wie sie auf die Neuigkeiten reagiert.
»Das ist ja toll!«, sagt sie, ohne eine Sekunde zu zögern.
»Ja? Findest du wirklich?«
»Isabelle ist so lieb. Und du wirst bestimmt Brautjungfer.«
»Juhu.«
»Oje, tut mir leid«, sagt sie, als ihr endlich mein Mangel an Begeisterung auffällt. »Wahrscheinlich bist du total kaputt. Wie war’s in Paris?«
Und dann erzähle ich ihr von Paris, aber nach ein paar »Ahas« und »Mhms« fällt mir wieder ein, dass Edie sich nicht besonders für Mode interessiert, und ich komme zum Ende.
»Und wie geht es Krähe und Henry?«, fragt sie höflich.
Was mich daran erinnert, die Männer in den Kamelhaarmänteln zu erwähnen, aber nach kürzester Zeit macht sie wieder »aha« und »mhm«.
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