Modemädchen Bd. 3 - Wie Sahnewolken mit Blütentaft
Offensichtlich ist Edie in Gedanken ganz woanders.
»Ist irgendwas passiert?«, frage ich. »Habe ich was verpasst?«
Sie überlegt einen Moment.
»Ist dir in letzter Zeit was an Jenny aufgefallen?«
Jenny ist unsere andere beste Freundin. Rote Haare, Schauspielerin, leichte Starallüren und eine Allergie gegen Männer seit einem ziemlich unglücklichen Zwischenfall mit einem Teenager-Sexgott aus Hollywood, mit dem sie einen Film gedreht hat. Nichts an Jenny ist besonders normal, aber ich muss zugeben, dass mir in letzter Zeit auch nichts besonders Unnormales an ihr aufgefallen ist.
Ich schüttele den Kopf.
»Wusstest du, dass sie nächsten Monat eine ganze Woche Schule ausfallen lässt?« Edie ist offensichtlich schockiert.
Ich nicke und versuche nicht zu grinsen. Wir sind im ersten Jahr der A-Levels, der letzten beiden Schuljahre, und alle Noten zählen für den Abschluss. Edie kann sich nicht vorstellen, dass jemand während der A-Levels freiwillig eine Woche ausfallen lassen könnte. Selbst wenn wir noch anderthalb Jahre vor uns haben, um Versäumtes nachzuholen. Selbst wenn der Grund dafür eine Einladung nach New York ist, um bei einem Musical-Workshop mitzuwirken.
»Und?«
»Sie hat mich gebeten, ihr bei ein paar Englisch-Aufsätzen zu helfen, damit sie die schon mal vom Tisch hat. Als ich vorgeschlagen habe, bei ihr zu Hause vorbeizukommen, hat sie mich fast angeschrien. Sie war richtig weinerlich. Und seitdem beobachte ich sie. Sie hat Ringe unter den Augen. Sie wirkt erschöpft. Natürlich habe ich sie tausend Mal gefragt, was los ist«, typisch Edie, »aber sie rückt einfach nicht mit der Sprache raus.«
»Vielleicht muss sie Text lernen.«
Der Workshop in New York dient zur Vorbereitung eines neuen Musicals, das ein befreundeter Theaterschriftsteller namens Bill geschrieben hat. Letzten Sommer hat sie in einem Stück von ihm mitgespielt, und daher weiß er, wie gut sie ist. Das Musical heißt Elizabeth und Margaret . Nicht gerade der knackigste Titel der Welt. Es geht um die Kindheit der Queen und ihrer Schwester. Nicht gerade das spannendste Thema der Welt. Aber bei Musicals kann man nie wissen. »Entstellte Typen in der Oper«, »Abba-Lieder«, »Sohn eines Bergarbeiters tanzt Ballett«, »Katzen« – nichts davon klingt erst mal besonders aufregend. Also geben wir Bill einen Vertrauensbonus.
Jenny hat nur noch vier Wochen, um sich auf den Workshop vorzubereiten und ein Dutzend neue Lieder auswendig zu lernen. Sie ist eine tolle Sängerin, aber es ist trotzdem eine ziemliche Herausforderung. Es überrascht mich kein bisschen, dass sie Ringe unter den Augen hat. Nur das mit dem Anschreien und Weinerlichsein überrascht mich. Ehrlich gesagt hätte ich im Moment, wenn überhaupt, dann von Edie Geschrei und Tränen erwartet.
Dieses Jahr ist nämlich Edies Mega-Stress-Jahr. Ihr erklärtes Ziel ist, so schnell wie möglich zu den Vereinten Nationen zu kommen und irgendeine Art Botschafterin zu werden – wie Angelina Jolie, nur ohne die Schauspielkarriere und die vielen Kinder (oder Brad Pitt), aber dafür mit einem unheimlich guten Harvard-Abschluss. Und um dieses Ziel zu erreichen, hat sie sich dieses Jahr unglaublich viele Kurse aufgehalst – Klarinette für Fortgeschrittene, einen Vorbereitungskurs für die SATs (den amerikanischen Hochschulaufnahmetest – fragt gar nicht erst, was das ist), die Bewerbungsaufsätze für Harvard, die im Oktober fällig sind, und die Vorstellungsgespräche in Oxford »für alle Fälle«. Und in der Zwischenzeit betreibt sie immer noch ihre Website, mit der sie die Welt retten will, indem sie über Hilfsprojekte berichtet und Spenden für Kinder sammelt, denen es an grundlegenden Dingen wie Wasser und Computern fehlt. UND wenn der süße Phil ihr nicht mindestens achtmal am Tag eine Nachricht schickt, ist sie überzeugt, dass er sie sitzen gelassen hat, und kriegt vor Aufregung Pickel.
»Wenn du willst, dass ich mal mit Jenny rede, kein Problem«, sage ich. Edie braucht wirklich nicht noch mehr Stress zurzeit. »Sie hat heute frei, damit sie mit dem Casting-Direktor ein paar Songs durchgehen kann …«
Edie sieht mich schockiert an, und ihr Blick sagt: »Noch ein Tag frei? Wie soll Jenny das je wieder aufholen?«
Doch ich ignoriere sie. »… aber ich gehe heute Abend bei ihr vorbei. Versprochen. Okay? Ach, und um welche Englisch-Aufsätze geht es eigentlich?«
Eine leichte Nervosität steigt in mir auf, als ich mich vage an irgendeinen Aufsatz
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