Modesty Blaise 04: Ein Gorilla für die Lady
gibt da an mit seinem Grillspieß.» Sein Kopf fuhr herum. Modesty Blaise schaute zu ihm herüber.
Sie warf einen kleinen Felsbrocken heftig neben dem Graben zu Boden und wandte sich ab. Wieder hörte er dieselbe Stimme sagen: «Amateur … neun Stunden am Tag mit diesem Schwert … der kühne Ritter von Mus … du lieber Himmel!»
Wenczel erstarrte. Das war die Stimme dieser Blaise, dessen war er ganz sicher. Die Wut ließ seine Lippen blaß werden, als er auf sie zuschritt, bei ihr stehenblieb und auf sie herunterschaute. «Haben Sie etwas gesagt?»
Seine Stimme klang ungläubig.
Sie blickte zu ihm auf, zuckte mit fein bemessener Geringschätzung die Achseln und bückte sich, um einen weiteren Stein aufzuheben.
Der Degen versetzte ihr einen heftigen Schlag auf die Schulter.
«Haben Sie etwas gesagt?»
Sie war aus dem flachen Graben heraus und starrte ihn mit vor wütender Verachtung blitzenden Augen an. Zwanzig Schritt entfernt sprang der Wachtposten auf und brachte seine Halcon-Maschinenpistole in Anschlag. Wenczel stieß den Kopf vor. In dem Benehmen dieser Frau lag etwas, das sein Blut vor Zorn rasen ließ – eine Mischung aus Hohn und Anmaßung, die über alles Erträgliche hinausging.
«Was haben Sie gesagt?» Seine Stimme hob sich zu dem schrillen Bellen, das er einst auf dem Kasernenhof angewendet hatte.
Der wütende Blick aus ihren Augen war verschwunden. Sie schaute ihn jetzt an, als fiele er ihr auf die Nerven. «Vielleicht habe ich laut gedacht.»
«Und was haben Sie laut gedacht?»
Sie schaute zur Seite, blinzelte und unterdrückte dann ein geistesabwesendes Gähnen. Der Degen fuhr wie eine Peitsche auf sie nieder, aber erstaunlicherweise war sie mit einer Drehung auf ihren Fußballen außer Reichweite. Wenczel folgte nach und schwang seinen Degen von neuem. Zum zweitenmal verfehlte der Schlag sein Ziel.
Sie wich rasch zurück, glitt sicher wie eine Katze über den unebenen Boden. Wenczel verfolgte sie. Der Wachtposten bewegte sich unsicher hinter Wenczel her und hielt seine Halcon in flacher Schräglage vor sich her. Inzwischen war die Szene zu einer rasch ablaufenden Balgerei geworden.
Mit voller Absicht hielt sie ihre Hände im Rücken, sprang zurück, schlug Haken, wich ihm aus, unternahm aber keinen Versuch zurückzuschlagen. Zweimal versetzte ihr Wenczel stechende Treffer mit der dünnen Klinge – einen ins Bein und einen gegen die Rippen.
Sie wußte, daß Delicata das gesehen haben mußte.
Sicher hatte er den letzten Schrei Wenczels gehört. Der Ungar fluchte jetzt in seiner Muttersprache, während er sie verfolgte.
Über fünfzig Meter hinweg dröhnte Delicatas Stimme: «Major Wenczel! Lassen Sie das bitte!» Der Degen pfiff wieder durch die Luft. Delicatas Stimme ertönte näher, als er wieder sprach, doch klang sie jetzt ruhiger und vor Vergnügen beinahe schläfrig. «Bitte unterdrücken Sie Ihre Leidenschaften, Major Wenczel, sonst sehe ich mich genötigt, einen Felsbrocken zu nehmen und Ihre Hände zu Brei zu schlagen.»
Keuchend und mit gesenktem Degen blieb Wenczel stehen. Delicata näherte sich, zwar ohne Eile, doch kam er mit seinen kurzen, massiven Beinen rasch voran. Ein Stück hinter ihm folgte Collier, der nicht vergaß, daß er humpeln mußte.
«Du liebe Zeit!» In Delicatas Stimme schwang ein beglückter Unterton mit. «Was haben wir denn hier? Aufsässigkeit gegenüber unserem tapferen Major, Miss Blaise?»
Wenczels Augen waren noch immer mit sengendem Blick auf sie gerichtet. «Sie – sie hat mich beleidigt!» Es fiel ihm schwer, die Worte herauszubringen.
«Unmöglich!» sagte Delicata in spöttischem Entsetzen.
«Ich sage Ihnen, sie hat mich beleidigt!»
Delicata schaute zu Modesty. «Wir können es nicht dulden, daß Sie zu unserem Major Wenczel unhöflich sind.»
Modesty rieb sich mit der Hand über die Augen.
«Dieser Degen», sagte sie angespannt. «Jeden Tag, Tag für Tag, wedelt er mit diesem verdammten Degen herum!»
An Wenczels Hals traten die Adern hervor.
«Er wedelt?» Delicatas Stimme klang schockiert, aber er zeigte dabei ein breites Grinsen. «Er wedelt? Meine liebe Miss Blaise, so spricht man doch nicht von einem Meister der Fechtkunst.»
«Der?» Die Nuance von Verachtung in dem einen ruhig ausgesprochenen Wort war rasiermesserscharf.
Wenczel holte zischend Luft und hob die Schwerthand.
Delicata sagte: «Nein.» Es klang beinahe tonlos, doch das Wort war wie ein Hammerschlag.
Kochend vor Wut senkte Wenczel den Degen.
Gabriel
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