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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Getränke.«
    Innerhalb von zehn Minuten waren wir auf der Straße. Gegen halb zwölf fuhren wir durch Blåvand, einen hübschen, herausgeputzten Küstenort, auf dessen Hauptstraße noch jede Menge Betrieb war, und erreichten wenig später Blåvandshuk. Ich bog auf den lang gestreckten, schlauchförmigen Parkplatz ab und schaute mich nach Jette Paulsen um. Sie war nicht schwer zu finden. Es standen nur vier Autos auf dem Parkplatz, und eines von ihnen war ein mit dem Heck zu uns geparkter VW Phaeton, der mit eingeschaltetem Abblendlicht und laufendem Motor vor sich hinschnurrte. Auf dem Fahrersitz sahen wir den Hinterkopf einer Gestalt mit kurzen dunklen Locken, die keinerlei Notiz von uns nahm.
    Etwas stimmte nicht.
    »Du kannst direkt daneben parken«, sagte Anna, doch ich sah im Rückspiegel, wie Elena den Kopf schüttelte.
    Ich wusste nicht, was für ein Auto Jette Paulsen fuhr, und ich hatte nicht die geringste Vorstellung, was eine Ingenieurin im Fischereimuseum der Stadt Esbjerg verdienen mochte, aber für ein 80000-Euro-Auto würde es vermutlich nicht reichen.
    Und da war noch etwas. Elena hatte es ebenfalls gesehen. Ihre Hand krallte sich in meine Schulter, und ihre Stimme war direkt an meinem rechten Ohr.
    »Das Nummernschild!«
    Sie hatte recht. Die dänische Ingenieurin Jette Paulsen saß in einem deutschen Luxusauto mit einem Berliner Kennzeichen. Und rührte sich nicht.
    »Weg hier«, knurrte Anna und klinkte ihren Sicherheitsgurt wieder ein, doch ich zögerte. Wir konnten Jette nicht zurücklassen. Vielleicht war sie verletzt, nein, nicht vielleicht, wer immer sie in dem Phaeton platziert hatte, musste dafür gesorgt haben, dass sie brav dort sitzen blieb, und das war mit Sicherheit nicht durch gutes Zureden geschehen. Andererseits besserte sich ihre Situation keinen Deut dadurch, dass wir ebenfalls … ich legte den Rückwärtsgang ein, und in diesem Moment knallte etwas mit großer Wucht gegen das Seitenfenster auf der Beifahrerseite. Wir fuhren herum und sahen in die Mündung einer riesigen Pistole, auf deren Lauf ein klobiger Schalldämpfer geschraubt war. Er war auf der Scheibe aufgesetzt und zielte auf Annas Kopf.
    Direkt neben dem Auto stand Doktor Schiwago. Gespielt von Anatol Grygoriew. Das ist kein Diplomat, sondern ein Geheimdienstler. Ich hatte Elenas Worte noch im Ohr. Wisst ihr, was die Abkürzung GRU bedeutet? Glawnoje raswedywatelnoje uprawlenije. Hauptverwaltung Aufklärung des Generalstabes. Der militärische Nachrichtendienst … Groß, grau und gut aussehend, mit Lachfalten und Schnurrbart, wirkte er genau so, wie Elena ihn in Cuxhaven charakterisiert hatte: Er hat diesen Doktor-Schiwago-Charme, auf den man im Westen so abfährt: Mann von Welt mit russischer Seele.
    Mit einem gewinnenden Lächeln bedeutete er mir, die Scheibe auf der Beifahrerseite herunterzulassen. Ich gehorchte. Grygoriew hätte uns auch problemlos durch das Seitenfenster erschießen können, aber das hatte offenbar noch Zeit. Als das Fenster nach unten glitt, bedeutete er Elena und mir auszusteigen.
    »Stellen Sie sich an die hintere Stoßstange. Wenn Sie Lärm machen oder irgendwelche Mätzchen, erschieße ich die junge Dame hier.«
    Er verstärkte den Druck des Pistolenlaufes an Annas Schläfe und drückte ihren Kopf so stark zur Seite, dass dieser beinahe die linke Schulter berührte. Ich war sicher, dass ich mir dieses Detail merken würde.
    Elena und ich stiegen aus und stellten uns hinter den Wagen. Mein Blick irrte umher, während sich mein Pulsschlag rasant beschleunigte. Das ehemalige Leuchtturmwärterhaus, das heute als Touristeninformation dient, war stockfinster. Auch der Parkplatz war menschenleer und dunkel. Bis auf das Licht, das vom Leuchtturm kam. Einen winzigen Augenblick lang stellte ich mir vor, wie die tonnenschwere Linse sich in ihrem Lager aus Quecksilber bewegte und die 1000 Watt starke Lampe ihr Licht durch sie hindurch schoss. Drei Blinkzeichen jede zwanzigste Sekunde. Ich musste an den Leuchtturm auf der Insel Neuwerk denken und spürte, wie mir schlecht wurde.
    In einigen der in den Dünentälern liegenden Ferienhäusern brannte noch Licht, aber sie waren mindestens 400 Meter entfernt, und in unserer jetzigen Situation hätten sie ebenso gut auf der Rückseite des Mondes liegen können.
    Grygoriew trat etwas zurück und machte eine unmissverständliche Bewegung mit seiner Pistole. Anna öffnete die Beifahrertür und stieg vorsichtig aus.
    »Hände nach hinten«, befahl Grygoriew. Seine

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