Moerderische Fracht
Dänisch?«, fragte Anna.
»Hyggelig!«
Sie sah mich ungläubig an und brach in derart schallendes Gelächter aus, dass sie ihren Milchkaffee verschüttete.
»Wenn wir nachher Jette Paulsen treffen, reißt du dich zusammen«, sagte ich streng. Anna nickte und kicherte weiter.
Als wir um halb sieben im Restaurant ankamen, war Paulsen schon da und winkte uns an einen festlich gedeckten Tisch. Sand’s Restauration ist das älteste und ungewöhnlichste Speiselokal in Esbjerg. Es ist vollgestellt mit kuriosen Einrichtungsgegenständen aus den letzten hundert Jahren, die Wände sind mit Bildern aus allen erdenklichen Kunstrichtungen regelrecht gepflastert, und das Essen ist ausgezeichnet. Anna setzte sich und warf einen bewundernden Blick in die Runde.
»Wow«, sagte sie, »das ist verdammt hyggelig hier.« Ihre Mundwinkel zuckten verräterisch. Ich trat unter dem Tisch nach ihrem Bein, verfehlte es aber. Jette Paulsen lächelte erfreut und deutete auf die Speisekarte.
»Der Lachs aus Hjerting ist sehr gut, und ihr müsst Bakskuld probieren. Eine geräucherte und gebratene Scholle. Gibt es nirgendwo besser als hier.«
Es wurde ein höchst vergnüglicher Abend. Wir tranken Chablis zu dänischen Fischspezialitäten und beendeten das Ganze mit Espresso und norwegischem Aquavit. Niemand hatte das Bedürfnis, über die Kadetrinne zu sprechen. Jette Paulsen war eine wunderbare Gastgeberin. Sie verkörperte diese Mischung aus Lässigkeit, Pragmatismus und Weltoffenheit, die ich bei vielen Dänen kennen und schätzen gelernt hatte. Und sie ließ sich durch nichts davon abbringen, die Rechnung zu übernehmen.
»Ich habe ein Haus am Ortsrand von Blåvand, wenn ihr wollt, könnt ihr bei mir übernachten.«
Anna schüttelte den Kopf.
»Das ist sehr nett von dir, doch wir haben Zimmer im Ansgar reserviert. Es ist nicht weit von hier, und morgen wollen wir so früh wie möglich nach Fanø übersetzen.«
»Gut«, sagte Jette, »aber auf der Rückfahrt kommt ihr bei mir vorbei. Ich mache euch rødgrød med fløde.« Sie warf Anna einen vielsagenden Blick zu. »Das klingt nicht nur lustig, sondern schmeckt auch gut.«
Anna war rot geworden.
»Ich wette, das tut es«, antwortete sie.
Wir tauschten die Handynummern aus und fuhren zum Hotel. Anna war immer noch verlegen.
»Was ist das jetzt für ein Gericht?«, fragte sie zaghaft.
»Rote Grütze mit Sahne.«
»Mein Gott, ja!«, seufzte sie, »natürlich: rødgrød med fløde!«
Dann begann sie wieder zu lachen. Es war die Art von Albernheit, die erst aufhört, wenn alles Adrenalin verbraucht ist. Als wir beschlossen, vor dem Schlafengehen in der Hotelbar vorbeizuschauen, kicherte sie immer noch.
Dort erreichte uns eine Stunde später der Anruf, der dem Lachen ein Ende machte.
Einundvierzig
I
ch bins. Habt ihr schon geschlafen?«
Jettes Stimme klang atemlos und belegt, aber nicht ängstlich.
»Wir sind noch in der Bar«, sagte ich.
»Es ist etwas passiert, ich bin hier auf etwas gestoßen, etwas völlig Irrsinniges … könnt ihr zu mir kommen?«
»Jetzt noch? Ich bin hundemüde. Kannst du nicht einfach erzählen …«
»Nein, nicht am Telefon, ihr müsst hierher kommen! Das ist mein Ernst!«
Ihr Ton hatte sich verändert, war jetzt drängend und ungeduldig. Jette schien schlecht Luft zu bekommen.
»Wo steckst du denn eigentlich?«
»Kommt nach Blåvandshuk. Zum Leuchtturm. Bitte, es ist sehr wichtig. Ich warte auf dem Parkplatz.«
Dann legte sie auf.
Ich wusste, wo das war. Blåvandshuk, etwa fünfundvierzig Autominuten von Esbjerg entfernt, ist der westlichste Punkt Dänemarks, ein Küstenstreifen, dessen Wahrzeichen ein hoher, weißer Leuchtturm ist. Er wurde vor mehr als hundert Jahren gebaut, um die Schiffe vor dem Horns Rev zu warnen, einem vierzig Kilometer langen Riff, das die Einheimischen »Djævlens Horn«, Horn des Teufels, nannten und das als extrem gefährlich galt. Der Leuchtturm ist noch in Betrieb, obwohl er für die Schifffahrt keine Bedeutung mehr hat. Auf dem Horns Rev steht heute der größte Offshore-Windpark der Welt.
»Was ist los?«, fragte Anna.
»Jette will sich mit uns treffen. Sie hat es sehr dringend gemacht.«
Elena sah auf ihre Armbanduhr und gähnte demonstrativ: »Es ist schon Viertel vor elf.«
Anna dagegen wirkte unschlüssig und ein wenig besorgt.
»Was sagt dein Bauch?«, fragte sie mich.
»Mein Bauch sagt: Fahr hin!«
Anna nickte.
»Guter Bauch«, sagte sie. »Hol schon mal das Auto. Ich bezahle die
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