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Mörderisches Musical

Mörderisches Musical

Titel: Mörderisches Musical Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Meyers
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Papiertüte lag zerknüllt auf dem Sitz eines Stuhls
mit einem abgebrochenen Bein, drei andere Stühle lagen da, wo sie gerade
umgefallen waren. Ein einzelner verbogener Notenständer aus Metall und ein paar
Blätter waren alles, was von der letzten Show geblieben war. Der bleibende
Geruch nach dem Schweiß vergangener Orchester war fast zu greifen. Wenn dies
ein Film wäre, dachte sie, wäre der Orchestergraben plötzlich mit Musikern im
Frack gefüllt, die ihre Instrumente stimmten.
    Lieber Gott, Wetzon, sagte sie zu sich. Es mußte
am Regen liegen. Und Carlos war total erschöpft. In einigen Stunden würde die
Durchlaufprobe der Gruppentänzer die Proben in New York abschließen, und alle
würden ihre Sachen für Boston packen. Die Bühnenausstattung war schon
unterwegs.
    Ein leises Geräusch lenkte ihren Blick
rechtzeitig in den Graben zurück, um gerade noch ein braunes Tier mit
glänzenden Augen und langem Schwanz fliehen zu sehen. Igitt. Ja, wenn Theater
dunkel waren, gab es Probleme mit Ratten. Verdammt, auch wenn sie nicht dunkel
waren.
    Sie ging langsam den ansteigenden Mittelgang
hoch. Die roten Samtsitze waren teils hochgeklappt, teils unten. Schnipsel von
Bonbonpapier lagen zusammen mit einigen weggeworfenen Programmheften auf dem
Boden. Wetzon strich mit der Hand über einen Platz in der Mitte des Parterres,
nicht ganz unter der Brüstung des Ranges, und setzte sich. Walt hatte nicht
sämtliche Lampen des Hauses angeschaltet, so daß es an ihrem Platz ziemlich
dunkel war. Ihre Stiefelspitze berührte eine leere Limonadendose und
verursachte einen hohlen Laut. Sie bückte sich, um sie aufzuheben, doch sie
rollte schon die Schräge zum Orchestergraben hinunter. Niemand schien sich um
die Reinigung des Theaters gekümmert zu haben, nachdem die letzte Show
abgesetzt worden war.
    Zum altbekannten »...fünf- sechs — sieben- acht...«
schnalzten Finger den Rhythmus. Staubteilchen flirrten um den Lichtbogen von
der Bühne, während Carlos mit den Tänzern arbeitete, eine Bewegung veränderte,
Aufhebens um eine Nuance machte.
    Phil rollte ein Korrepetierklavier auf die
Bühne. Wetzon sah die Innereien und das nackte Holz. Der Flor des Sitzpolsters
knirschte unter Wetzons hellbraunem Burberry. Das Theater war kalt. Ein eisiger
Luftzug stieg vom Boden auf. Walt machte sich an den Lampen zu schaffen. An.
Aus. An. Aus.
    »Fünf — sechs — sieben — acht.«
    Wetzon war müde. Die Sonne hatte, sich seit über
einer Woche nicht blicken lassen, und die anhaltende Düsterkeit bedrückte sie.
Das Rekrutierungsgeschäft lief gut, doch sie fühlte sich ausgebrannt und
ständig müde. Smith verhielt sich wie in der Anfangsphase ihrer Partnerschaft
und traf selbständig Entscheidungen, als wäre Wetzon nicht ihre Partnerin,
sondern eine Angestellte. Und außerdem war ihr Liebesieben unbefriedigend.
    Ein quieksendes Geräusch, wie Gekicher, kam
irgendwoher aus der Dunkelheit.
    Lach du nur, Ratte, dachte sie, während sie die
Beine vom Boden hochschwang auf den Nebensitz. Komisch. Sie berührte den Sitz.
Feucht. Sie legte den Kopf in den Nacken, um die Decke abzusuchen, eine flache
Kuppel, von der ein riesiger Kronleuchter hing — zweifellos von Spinnweben
überzogen. Irgendwo drang Regen durch. Sie vergaß die Ratte und stand mit dem
Rücken zur Bühne auf. Als sie in den Mittelgang trat, bemerkte sie jemanden,
der hinter der letzten Reihe des Zuschauerraumes stand.
    In diesem Augenblick schaltete Walt alle Lampen
des Hauses an. Wer immer da gestanden hatte, war fort.
    Der erste Rang war elegant geschwungen und mit
Putten, Sträußen und Girlanden aus Gips und Blattgold geschmückt. Ein
Messinghandlauf schimmerte stumpf. Und von dem Geländer baumelte ein Arm, der
in einer cremefarbenen Jacke steckte.
    »Walt!« Wetzons Knie gaben nach. Sie konnte den
Blick nicht von dem dunkelroten Rinnsal losreißen, das am Arm hinunterlief und
auf den Sitz neben ihrem Platz tropfte.
    »Was ist?«
    Wetzon warf sich herum. Walt war an den
Bühnenrand getreten und hielt eine Hand über die Augen, während er nach oben
blickte. Carlos und die Tänzer wirkten wie mitten im Sprung erstarrt.
    »Was ist?« fragte Walt noch einmal.
    Wetzon blickte wieder zum Rang hin.
    Über den Messinglauf hing der obere Teil eines
Körpers, der Kopf ein blutiger Brei.

Phil
rührte sich als erster. Er stürzte an Wetzon vorbei den Gang hoch. Auf der
Bühne hatte sich niemand bewegt. Der grausige Anblick, der sich ihnen bot, war
noch nicht in ihr

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