Möwennest-Reihe Gesamtband (German Edition)
verschlossen halten, das funktionierte bislang immer. Das Schloss ist, wie eine Tor zwischen der dunklen leeren Welt in der Margareta van Buurens dämonische Seele gefangen ist und unserer Welt, der Welt, in der die Leute leben, die ihr das angetan haben. Sie hasst diese Welt, sie hasst Westenschouwen, Schouwen-Duiveland, Zeeland, uns alle. Ihr Hass kann durch nichts gestillt werden. Niemals wird sie die Grausamkeiten, die ihr widerfahren sind, vergeben. Ich habe es damals in ihren toten Augen gesehen. Ich spüre seitdem ihre Wut, wie sie stärker wird und immer mehr in unser Universum strömt. Alles worauf sie in ihrem Gefängnis, ihrer Zwischenwelt, sinnt, ist Rache. Eine Rache, die niemals sterben wird. Und solange diese Rache in ihr brennt, solange wird sie immer wieder darauf drängen, hierher zurückzukehren und anderen das anzutun, was sie selbst erleiden musste.“
„Wenn die Sache so einfach ist und Ari die Lösung gefunden hatte. Wieso ist sie jetzt wieder da?“, unterbrach Harry. Er war nicht sicher, ob er das alles richtig verstanden hatte, aber wenn Sklaaten, dieser komplett durchgedrehte Koch mit dem Beil, damals wirklich eine endgültige Antwort gefunden hatte, wieso war es dann so weit gekommen, wie in dieser Nacht. Mal ganz zu schweigen davon, dass dies Ingas Ausführungen zu Folge erst der Anfang war.
„An diesem Punkt liegt der Hase im Pfeffer, Harry, ganz richtig. Nur vergisst du, dass der Sturm, der Aris Restaurant dem Erdboden gleichmachte, nur an einem zentralen Punkt besonders stark war. Abgesehen von Het Meeuwennest gab es in dieser Nacht nur wenige Schäden im näheren Umland. Dieses Unwetter war kein gewöhnliches. Möglicherweise hat das dazu geführt, dass Aris sicher geglaubte Barriere in sich zusammenfiel, wie ein Kartenhaus. Ich weiß es nicht, es ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Wichtig für uns ist, das zu finden, von dem Sklaaten überzeugt war, es habe den Fluch ein für alle Mal gebändigt. Und darum bist du so wichtig, Harry.“
Sie schaute ihm tief in die Augen und machte ein ernstes Gesicht. Ihm fiel auf, dass in ihren Pupillen ein kaum wahrnehmbares Schimmern zu sehen war. Gleichzeitig gab es in ihnen kein Anzeichen für einen schlechten Scherz. Harry schluckte, verstand er es doch noch immer nicht.
„Wieso ich, Inga? Wie kann ich da helfen. Ich bin der miese kleinkriminelle Handlanger eines Drogenbosses aus Rotterdam, der seit zehn Jahren nur eine Aufgabe hatte und die bestand bis vor wenigen Tagen darin, darauf zu achten, ob sich Ari Sklaaten blicken ließ. Vor zehn Jahren hat Sklaaten meinen Boss bestohlen, seitdem suchen wir nach ihm. Ich war immer nur die kleine Wanze in Zeeland, die Meldung zu machen hatte. Und dann tauchte plötzlich dieser Sem auf und zwang mich in dieses verteufelte Restaurant einzusteigen. Ich habe bis dahin fest daran geglaubt, dass Ari tot sei. Herrje, Inga. Ich habe mich eigentlich seit fünf Jahren damit abgefunden gehabt, dass ich hier als Teilzeittouristenführer mit Bierbauch und ohne Haupthaar bis ins hohe Alter mein Dasein friste. Ich habe hier mehr zum Leben gefunden, als all die Jahre davor. Hier habe ich angefangen zu leben, mein Leben. Es war bescheiden, ja, aber ich mochte es. Ich wollte, dass alles so bleibt und plötzlich ist alles anders, alles zerstört. Ich stehe vor dem Nichts, werde von meinen eigenen Kollegen gejagt. Sag mir, wie soll ich da helfen? Ich bin ein Versager, ich war immer einer und werde immer einer bleiben. Ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich dir helfen soll. Ich habe mich in fast fünfzig Jahren nicht mal mit Menschen aus Fleisch und Blut erfolgreich messen können. Ich …“
„Still! Sag so etwas nicht. Ich kenne dich, Harry Romdahl. Ich weiß, dass du eine Stärke besitzt, die nicht viele besitzen.“
„Welche soll das sein?“, fragte Harry abschätzig. Wenn er jemals in irgendwas stark gewesen war, dann höchstens im Weglaufen, schnellem Aufgeben und Biertrinken.
„Du hast ein gutes Herz, Harry. Dein Inneres steckt voller Selbstzweifel, aber du bist ein guter Mensch, du warst immer einer und keiner wird je die Saat des Bösen darin pflanzen können.“
„Na ja“, schnaufte Harry. „Eben fühlte ich mich so rasend und wütend, dass ich mich um ein Haar auf dich gestürzt hätte. Das nenne ich nicht gerade stark.“
„Das liegt aber nur an der Schwäche deines Geistes. Der Geist kontrolliert den Körper während deine Seele - dein Herz - diesen mäßigt und von unbedachten,
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