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Mogelpackung: Roman

Mogelpackung: Roman

Titel: Mogelpackung: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schröter
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Dachziegeln geworden, den Markus und Nicole vor gut zehn Jahren hatten errichten lassen. Das riesige Grundstück dazu wäre allerdings selbst für Markus unerschwinglich gewesen, hätte er es denn bezahlen müssen. Das Areal hatte bereits zuvor Generationen von Frieds gehört, bis Großvater Friedrich Fried es nach seinem Tod Anfang der Sechziger seiner Gattin Gesche hinterließ. Die hätte es zweifellos ihrem einzigen Sohn Martin vererbt, der samt Frau und den Kindern Markus und Fredo ohnehin schon seit seiner Hochzeit mit in dem alten, geräumigen Rotsteinhaus wohnte. Doch Gesche hatte sowohl Martin als auch ihre Schwiegertochter überlebt. Deshalb gehörte ihr das Grundstück immer noch. Der Preis dafür, dass Markus das alte Haus hatte abreißen lassen und seinen Stein gewordenen Spießertraum hatte darauf verwirklichen dürfen, war lebenslanges Wohnrecht für Oma Gesche. Eigentlich kein Opfer, sondern noch willkommene Zugabe, dachte Fredo, während er den Benz über hollywoodreif knirschenden Kies die imposante Auffahrt entlangsteuerte. Gesche kochte begnadet, wusste alles über jeden und hatte den Haushalt voll im Griff. Für Markus und Fredo galt die Großmutter nicht nur während der Jugendjahre als absolute Autorität, und Fredo hatte nie ein Kind erlebt, mit dem Gesche nicht zurechtgekommen wäre. Toskana-Villa mit eingebauter Babysitterin und Ersatzhausfrau, etwas Besseres hätte Markus nicht passieren können. Und nun: Alles für Fredo. Besser als Urlaub. Verdientermaßen. Nach jahrelangem Schreibstress. Zum ersten Mal seit dem Kündigungsdesaster und der grotesken Szene mit Sandra und Plöger fühlte sich Fredo gelöst und frei. Sogar geneigt, seinen Frieden mit der Vergangenheit und Bornstedt zu schließen. Alles gut auszuhalten, dachte er, und Schwierigkeiten sind hier nicht zu erwarten – verglichen mit denen, die er sonst beim Drehbuchschreiben bewältigen musste, erst recht nicht.
    Die Auffahrt beschrieb einen eleganten Bogen zur diskret hinter einer hohen Hecke versteckten Doppelgarage. Die Garagentore waren geschlossen, also parkte er den Benz davor im Freien. Schon beim Aussteigen schnupperte er genießerisch. Da lag etwas in der Luft, wehte herüber aus dem Dunstabzug der Küche – Schweinebraten und Rotkohl, eindeutig nach feinster Großmutterart mit Schmalz und Birnenstückchen. Bei Sandra war ständig Diät angesagt, überwiegend fleischlos. Und Schweinebraten ging schon mal gar nicht. In kulinarischer Hinsicht ist die Trennung kein Verlust, dachte Fredo schmunzelnd und sah im Geiste Oma Gesche eifrig am Herd zaubern, küchenkampfbereit in die unvermeidliche blau-weiße Schürze gegürtet. Es roch, wie immer bei ihr, ausgesprochen appetitlich.
    Noch für Sekunden.
    Dann mischte sich scharfbitteres Brandaroma in die Wohlgerüche. Fredo witterte alarmiert in Richtung Küchenfenster, wo aus der Wandöffnung des Dunstabzugs plötzlich dunkle Wolken quollen. Er sprintete zum Hauseingang, fischte hastig in seiner Jacke nach dem Schlüssel, fand ihn und öffnete. In der geräumigen Diele waberten ihm rußige Fäden entgegen. Im gleichen Moment schlug irgendwo nervtötend schrill ein Rauchmelder an.

3.
    F redo raste in die Küche und entdeckte Gesche, die, vom ganzen Spektakel offenbar gänzlich unbeeindruckt, in einem Topf rührte, während neben ihr fetter Qualm aus dem Backofen drang. Er eilte zum Fenster und riss es weit auf. Dann wollte er zurück zu seiner Großmutter und sich um den Herd kümmern – da wandte sie sich mit einem Mal Fredo zu und bannte ihn mit eisblauem Gesche-Blick fest auf der Stelle, jeder Zoll souveräne Autorität.
    »Zappel nicht! Hinsetzen.«
    »Hier brennt gleich alles!«
    Gelassen öffnete Gesche den Backofen und verschwand für Sekunden in der aufsteigenden Qualmwolke. Als sie wieder daraus auftauchte, trug sie zwei große Topflappenhandschuhe und eine rauchende Bratenschüssel. Sie kippte die Schüssel samt Inhalt ins Spülbecken und drehte den Wasserhahn auf. Sofort verschwand sie wieder im Nebel. Fredo kämpfte sich bis zum Herd durch den Dunst und drehte den Backofen ab, sicherheitshalber auch alle Kochfelder. Dann atmete er durch – soweit der Qualm es zuließ.
    »Hast du das nicht bemerkt, Gesche?«
    Der Rauchmelder über ihren Köpfen fiepte immer noch unerträglich, möglicherweise der Grund dafür, dass Gesche diese Frage ignorierte. Sie zog einen Küchenstuhl heran, stieg mit einer – angesichts ihres Alters – erstaunlichen Gewandtheit hinauf

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