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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Ihre Enkelin überfallen haben, die ganze Nacht lang durch meinen Computer gejagt. Die Bullen müssen das wissen. Aber…«
    Sie sieht so müde aus, als würde sie gleich im Stehen einschlafen.
    »All diese Typen haben Alzheimer.«
    Ich lasse das auf mich einwirken. Mandy regt sich nicht. Fast habe ich den Eindruck, dass sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen wird. Sie starrt einfach weiter zum Fenster hinaus.
    »Alzheimer?«
    »Yeah. So ähnlich wie in Angriff der Zombies. Wir verlieren den Verstand, und man schickt uns los, um zu stehlen. Wir sind wie lebende Leichen, totes Fleisch. Und selbst dafür wird man uns schon bald nicht mehr brauchen.«
    Das graue Licht, dass durchs Fenster auf ihr Gesicht fällt, auf ihre Nase, ihre Wangen… Es macht sie wunderschön.
    Ich denke an Brillen mit eingebauten Transcodern. Die Brillen, die uns sagen, wer unsere Freunde sind, wann es Zeit ist, unsere Pillen zu schlucken. Dass man ein Flugzeug erwischen muss, wie man aus der Happy Farm herauskommt und wo man abgeholt wird…
    Ich denke an Wangenknochen, an ein verschrumpeltes Heimchengesicht…
    »Oh, Scheiße«, ächze ich. Mein Magen fühlt sich so an, als wäre ich schwerelos. » O Scheiße!?« Und schon laufe ich los.
    »Brewst?«, fragt Mandy zaghaft.
    Gottverdammte Gehhilfen. Ich hüpfe auf und nieder wie ein Korken auf den Wellen, versuche vergeblich zu rennen.
    »Brewst, was ist denn?«
    Können Sie sich das vorstellen? Mir laufen die Tränen über das Gesicht. Auf einmal spüre ich sie, wische sie mir mit dem Unterarm fort. Diese Bastarde! Diese Bastarde bringen mich zum Weinen.
    »Brewster? Warten Sie!« Mandy trippelt mir hinterher.
    Und alles, woran ich denken kann, ist Jazza. Jazza, du bist so viel mehr wert als das. Du hast Sachen erfunden, Musik abgemischt, die Mädchen haben dich mit glänzenden Augen angesehen. Wie du mit nacktem Oberkörper auf einem Brückengeländer balanciert hast, jung, stark, klug und schön. Jazza…
    Du bist mehr als nur eine menschliche Marionette, Jazza. Hoffentlich.
    Ich weine immer noch, und ich stoße überall an, weil mir Tränen den Blick verschleiern.
    Jazza sitzt auf der Kante seines Bettes und starrte in die Ecken der Zimmerdecke, als wüsste er nicht, was das ist. Ich lasse mich neben ihm auf das Bett sinken und sehe ihn an, sein welkes Fleisch, dass zusammengeschrumpft ist wie sein Leben, seine dünnen Fuß- und Handgelenke, die hohlen Wangen.
    Irgendwann wird mir bewusst, dass Mandy neben mir steht.
    Ich setze Jazzas Brille auf und probiere es mit ein paar Passwörtern. Age Rage. Silhouette. Fehlanzeige. Dann versuche ich es mit etwas anderem.
    Iron Man.
    Und die Brille fragt mich: »Wo hast du als Junge Comics gelesen?«
    »Auf Bäumen«, antworte ich.
    In meinen Augen blitzt ein Licht auf, heller als die Sonne, bohrt sich mir in den Kopf. Ich weiß, was passiert. Die Brille überprüft meine Netzhaut.
    Dann wird alles dunkel. Ich bin nicht Jazza. Deshalb wird das Programm nicht geöffnet. Aber, hey, das ist auch gar nicht nötig.
    Ich betrachte erneut Jazzas Gesicht, nur um sicherzugehen.
    »Mandy«, krächze ich, und ich bin wirklich froh, dass sie da ist. »Ich möchte Ihnen Silhouette vorstellen.«
    Und alles, was ich verspüre, ist Dankbarkeit. Freude darüber, dass Jazza mehr als lediglich ein Zombie war. Ich kann immer noch nicht richtig sehen, weil meine Augen durch die Retinaerkennung geblendet sind. Ich denke daran, wie oft Jazza mir zugearbeitet hat. Für die Software der S.A.S.-Anlagen. Er hat daran gearbeitet, er wusste, wie die verschiedenen Komponenten funktionieren.
    Jetzt begreife ich.
    Stellen Sie sich vor, Sie wären ein kluger Kopf gewesen, Ihr ganzes Leben lang, aber Sie hätten kein Geld zurückgelegt, und dann verlieren Sie den Verstand. Vielleicht hören Sie von einem Stationsarzt, der seinen Sozialdienst abreißt, es täte ihm wirklich Leid, dass Ihre Versicherung nicht die Kosten für die Medikamente deckt. Weil Sie arm sind, müssen Sie verblöden.
    Also werden Sie wütend. Auf alles und jeden, auf Gott und die Welt. Und so fokussieren Sie Ihren Verstand auf eine letzte Sache. Sie planen voraus für die Zeit, wenn Sie so gaga sind, dass man Sie nicht mehr verhaften und verurteilen kann. Sie erfinden Silhouette und speichern ihn ab, schicken die Programme auf die Reise, um sich ein ganz neues Team zusammenzustellen.
    Sie bekommen Ihre Rache.
    Mandy legt eine Hand auf meine Schulter und schüttelt mich. »Brewst«, sagt sie. »Brewster.«

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