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Moloch

Titel: Moloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville , Michael Moorcock , Paul di Filippo , Geoff Ryman
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Alles, was sie sieht, ist ein in Tränen aufgelöster trauriger alter Sack. Sie erkennt nicht, dass ich weine, weil ich glücklich bin.
    Ich verstehe es ja selbst nicht. Ich weiß nur eins: Jazza hat sich das alles ausgedacht.
    »Er war Silhouette«, sage ich und atme tief durch.
    »Wie?«, will Mandy wissen, die Hände in die Hüften gestemmt. Sie ist nicht der Typ, der sich mit Märchengeschichten abspeisen lässt.
    Mittlerweile habe ich mich wieder einigermaßen im Griff.
    »Silhouette ist keine Person, sondern ein Programm«, erkläre ich. »Eine Reihe von Programmen, die alle nach denselben Algorithmen ablaufen. Sie bringen ihre Opfer unter Kontrolle und befehlen ihnen, was sie tun sollen und wie sie dabei vorgehen müssen. Vielleicht sogar, was sie zu sagen haben. Also wird man für eine Weile zu Silhouette, und wenn man gaga genug ist, erinnert man sich später nicht mal mehr daran. Und dann versuchen Sie einmal, Silhouette zu fassen. Die eine Woche ist er in Atlanta, die nächste in L. A. und danach in New York. In Wirklichkeit aber steckt er in Ihrer Brille, in Ihrem Computer und in den kleinen grauen Zellen Ihres Gehirns.«
    Ich schalte Jazzas Computer ein und sehe mir die Dateien an. Natürlich werde ich keine davon öffnen können, aber wie erwartet, entdecke ich ein ganzes Verzeichnis. Allein irgendwelche verschlüsselten Dateien auf dem Rechner zu haben, reicht aus, um verhaftet zu werden.
    Der Name des Verzeichnisses lautet Aphrodite. So haben wir unser Marsraumschiff getauft. Sämtliche Dateien in dem Verzeichnis sind verschlüsselt, und ihr Umfang ist gewaltig.
    Garantiert kein Programm zum Hacken von Konten.
    »Das ist er«, sage ich. »Der Master-Plan.«
    Ich werfe einen Blick zurück auf Jazza. Er sieht wie ein kleiner Junge am Busbahnhof aus, der darauf wartet, dass seine Mutter noch einmal vorbeischaut, bevor er wegfährt.
    Als Nächstes öffne ich das E-Mail-Programm und beginne zu tippen. Ich verrate Jazza. Es tut nicht weh. Nur eine E-Mail an Curtis und an die Polizei. Ist in zwei Minuten erledigt. Und die ganze Zeit über verspüre ich Stolz. Stolz auf Jazza.
    »Tut mir Leid, Jazza«, sage ich. Ich nehme seine Hände in die meinen, und sofort fühle ich mich besser. »Sie werden das Programm löschen. Das ist alles. Keine Ausflüge mehr nach Maryland.«
    Jazza schaut mich an wie ein Baby. Er ist sich nicht sicher, wer ich bin, aber er vertraut mir.
    Fünf Minuten später erscheint der Junge.
    »Tut mir Leid, Mr. Brewster«, sagt er leise. »Tut mir Leid, dass es Ihr Freund war.«
    Der Junge stammt aus einem Land, wo das Wort Menschlichkeit noch eine Bedeutung hat. Das Mitgefühl steht ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Was macht Curtis?«, frage ich.
    »Schadensbegrenzung.« Das ist ein Ausdruck, den man in unserem Teil der Welt sehr früh lernt. Es frisst unsere Seelen auf. »Er sich sorgt um das Heim.«
    »Er sorgt sich um seinen eigenen Arsch«, korrigiert Mandy.
    Der Junge muss grinsen, aber er bleibt beim Thema. »Sie alles richtig gemacht, Mr. Brewster.«
    Ist es nicht großartig, dass die Menschen sich noch immer umeinander sorgen? Ist das nicht manchmal eine Art Wunder?
     
    Diesmal tauchen die Bullen in einem Zivilfahrzeug auf, und es sind IT-Spezialisten, keine Vollstrecker. Sie machen sich daran, Jazzas Computer zu durchkämmen. Jazza beginnt, vor sich hin zu singen, irgendein dämliches altes Stück, in dem es darum geht, dass alle frei sind, alles Liebe ist, wir eine endlose Party feiern werden.
    Haben wir wirklich einmal geglaubt, es würde nur darauf ankommen?
    Er lässt zu, dass sie ihm den Rechner wegnehmen, rollt sich einfach auf dem Bett zusammen und kehrt uns den Rücken zu. Ich murmele irgendetwas Einfallsloses wie: »Schlaf gut, alter Freund.«
    »Ich für Sie auf ihn aufpasse, Mr. Brewster«, sagt der Junge.
    Mandy und ich schleichen in die Bar. Alle aus unserer Neurobic-Gang sind da, aber bevor wir irgendetwas sagen können, springt Gus auf und ruft: »Das müsst ihr euch ansehen!«
    »Müssen wir?«, fragt Mandy.
    Alle haben sich über die Zeitung gebeugt. »Ich spiele es noch mal ab«, sagt Gus.
    »Bitte die Sicherheitsgurte anlegen«, kommentiert Mandy und wirft mir einen langen Blick zu, den ich auch ohne Worte verstehe: Ich habe diese Schwachköpfe satt.
    Auf der Zeitung erscheint eine Menschenmasse. Die Schlagzeile verkündet:
    Letzter S.A.S.-Überfall auf SHU-TZE-STADION, 20 Uhr 35 gestern Abend.
    Das ganze Spektakel sieht wie ein Berg Diamanten aus, gewaltige

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