Galaxis Science Fiction Bd. 06
Das Observatorium … .
Lothar Heinecke
In dieser Nummer unseres Magazins finden Sie eine Geschichte von Mark Clifton: Kinderspiele, in der Sie auf ein Ihnen sicher unbekanntes Wort stoßen werden – das Wort: ES-Pen. Nun, Sie brauchen weder im Duden noch in sonst einem Wörterbuch nachzuschlagen – es steht nirgends drin. Denn dieses Wort gibt es eigentlich gar nicht. Seine ersten drei Buchstaben weisen uns jedoch auf ein äußerst faszinierendes Gebiet hin – das Gebiet der Parapsychologie.
Was ist das? Nach Brockhaus ist es die Lehre von den seelischen und seelisch-körperlichen Erscheinungen, die außerhalb der Naturgesetze zu stehen scheinen. Diese Erklärung ist leider etwas dürftig, und da gerade die Parapsychologie und alle ihre zugehörigen Erscheinungen eines der Lieblingsthemen von guter Science Fiction sind, wollen wir uns einmal etwas eingehender darüber unterhalten.
Gehen wir das Problem auf einem kleinen Umweg an! Was tut ein Raumfahrer, wenn er sich mit den Bewohnern eines fremden Planeten verständigen will, dessen Sprache er nicht kennt? – Nun, viel wird er in Wirklichkeit nicht tun können. Selbst die Zeichensprache wird problematisch, wenn es sich um völlig anders geartete Lebensformen handelt, die sich unter von der Erde grundverschiedenen Umweltbedingungen entwickelt haben. Denn auch für die Anwendung der Zeichensprache bedarf es gewisser grundlegender Gemeinsamkeiten, gewisser Symbole, die von beiden Parteien verstanden werden können und müssen.
Kopfnicken und Kopfschütteln, zum Beispiel, gelten bei uns als selbstverständliche Formen stummer Bejahung und Verneinung. Jedoch so selbstverständlich ist das gar nicht, denn immerhin gibt es sogar auf unserer Heimatwelt einige Völker, bei denen diese Gesten genau die umgekehrte Bedeutung haben.
Welche Schwierigkeiten werden sich dann also erst bei der Unterhaltung mit Reptilwesen oder Tintenfischen ergeben?
Damit nun aber – sagen wir – ein Science Fiction-Roman nicht zu einem vorzeitigen Ende kommt, erlaubt sich der betreffende Autor oft einen kleinen – vielleicht nicht einmal so unberechtigten Trick. Er nimmt seine Zuflucht zu einer Erscheinung, deren tatsächliches Vorhandensein zwar immer noch ziemlich umstritten ist, die es aber unzweifelhaft wirklich gibt – der Gedankenübertragung oder Telepathie.
Hier haben wir die erste der Erscheinungen, die man unter dem Sammelbegriff der Parapsychologie zusammenfaßt. Hier haben wir aber weiterhin auch eine der Erscheinungen, die mit dem Hellsehen und der Prophetie zusammen die Untergruppe der sogenannten okkulten Phänomene bildet – einem Gebiet, das man auch mit dem Namen Außersinnliche Wahrnehmung – auf englisch: extra-sensory perception – bezeichnet. Aus den Anfangsbuchstaben dieses Wortes – ESP – hat dann Mark Clifton einfach das Wort für jenen »sechsten« Sinn gebildet, den Robert und Star, die kleinen Helden seiner Geschichte, besitzen.
Die Telepathie ist jedoch keineswegs nur ein willkommener Trick, mit dessen Hilfe phantasiereiche Science Fiction-Autoren ihre Produktion noch farbiger gestalten können. Schon seit Urzeiten besteht bei allen Völkern der Erde die Überzeugung, daß es eine Möglichkeit geben muß, noch auf anderem Wege als nur über unsere bekannten fünf Sinne die Welt wahrnehmen und auf sie einwirken zu können. Bemerkenswert ist immerhin, daß unsere Sprache einen Begriff wie »Sechster Sinn« überhaupt kennt. Die Überlieferungen aller Zeiten raunen von Erscheinungen, Ahnungen und Prophezeiungen, und alle diese Phänomene bilden durch die gesamte Geschichte der Menschheit hindurch eine kaum übersehbare zusammenhängende Kette, die bis in unsere Gegenwart reicht. Auch in unserer heutigen, so aufgeklärten Zeit, weiß man noch von Poltergeistern, Gedankenlesen, Vorahnungen und Wahrträumen zu berichten, und auch heute noch ist der Mensch in vielen Ländern der Erde davon überzeugt, daß es eine Kraft des Geistes gibt, die ihn befähigt, die Grenzen der medianischen und sinnlichen Welt zu durchdringen.
Die exakte Naturwissenschaft – das darf nicht verschwiegen werden – steht zwar den Phänomenen der Parapsychologie vorerst noch äußerst skeptisch gegenüber, wobei man sich allerdings fragen muß, inwieweit diese Skepsis der Tatsache zuzuschreiben ist, daß sich nun einmal außersinnliche Erscheinungen mit auf rein sinnlicher Basis beruhenden Meßmethoden nur schwer vereinbaren lassen. Immerhin gibt es aber schon, einige
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