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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Irgendwo kurz unter ihnen musste der Orionnebel sein, wo angeblich alles Leben hergekommen war.
    Sie starrte und starrte. Irgendetwas geschah mit ihrem Körper. Es war, als würde er von innen mit Gips ausgegossen. Wenn sie sich bewegte, würde es krachen.
    Es klopfte dezent. Der Zimmerservice brachte den Sekt. Elquist nahm ihn in Empfang. Er wurde unsicher. Wenn der Sekt nichts nützen würde, wenn er Herwe nicht lockern würde, wäre er am Ende seines Lateins. Umständlich öffnete er die Flasche.
    Herwe hatte schon fast Mitleid mit ihm. Sie nahm kommentarlos ihr Glas Sekt in Empfang.
    "Ich möchte gerne ein bisschen über uns beide sprechen", sagte Herwe.
    "Heute Abend?"
    "Natürlich heute Abend!", entgegnete sie gereizt. Herwe spürte bitteren Magensaft in ihrer Mitte schmerzen.
    "Mir ist das alles zu hohl, Elquist. Ein Kinobesuch, von dir betatscht werden, husch, husch ins Hotel und das gute alte Raus- und Reinspiel gespielt, und dann gehen wir wieder unserer Wege."
    "Was willst du mehr?"
    Ja, was wollte sie mehr? Wollte sie wirklich mehr von Elquist?
    "Okay, bis hierhin und nicht weiter. Das war’s! Mein Leben findet in Zukunft eindeutig besser ohne dich statt."
    "Konnte dir das nicht eine Stunde früher einfallen?"
    "Du meinst, weil wir dann eine Menge Geld gespart hätten? Nein, ich musste diese ganze verdammte Tristesse mit dir noch einmal erleben, diese konsequente Einfallslosigkeit, dieses Breitbanddesinteresse."
    Elquist Miene verdüsterte sich. "Aber ich interessiere mich doch für dich. Ich brauche nur einfach kein kompliziertes Drumherum."
    "Was meinst du mit: Du brauchst kein kompliziertes Drumherum. Du brauchst meine Strumpfbänder, du brauchst meine besonderen Schlüpfer, du brauchst immer neue Spielchen. Hältst du dich für unkompliziert?"
    "Herwe! Ich habe viel Arbeit. Ich habe Familie, und ich muss die Termine mit dir damit vereinbaren. Mein Bedarf nach Subtilem, Hintergründigem, Tiefgründigem ist einfach gedeckt."
    "Mein Bedarf nach Hohlem ist einfach gedeckt. Mich kotzt es an, wie eine triviale Maschine behandelt zu werden. Noch schlimmer: Ich fühle mich in deiner Gegenwart wie eine triviale Maschine. Ich bitte dich, jetzt zu gehen."
    Elquist sah aus, als habe er eine Ohrfeige bekommen.
    "Darf ich dich daran erinnern, dass du mich angerufen hast?"
    "Elquist, ich leide nicht unter Gedächtnisstörungen. Ich habe dich angerufen, und es war ein Fehler. Na und? Willst du mich verklagen? Willst du den in Aussicht gestellten Koitus einklagen?"
    Elquist wirkte einen kurzen Augenblick so, als wollte er sie stattdessen lieber schlagen. Doch dann nahm er seine Jacke aus dem Sessel, zog sie wortlos an und verließ den Raum.
    Herwe versuchte tief durchzuatmen. Aber die zunehmende Starre hatte ihre oberen Atemwege erreicht. Und sie ließ nicht nach, obwohl Elquist gegangen war. Ihre Atemzüge wurden ganz klein und flach. Sie nahm sich die Flasche Sekt und trat auf den Balkon. Der Gürtel des Orion leuchtete und glitzerte wie ein Diamantendiadem. Herwe prostete ihm zu. Eine eigenartige Kraft ging von ihm aus. Sie erfüllte Herwe mit Klarsicht. In diesem Augenblick wusste sie, dass eine Katastrophe geschehen würde und dass sie Ragnos betraf. Gleichzeitig mit diesem Wissen aber trat eine tiefe Ruhe in sie ein, und die innere Starre begann sich zu lösen.
     
    *****
    Ragnos ließ dieses schöne Gefühl, die Vorfreude, sich mit Ana-Maria in Italien aufzuhalten ganz zu. Es breitete sich in seinem ganzen Körper aus. Erkonnte sich nicht erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein.
    Ragnos trat auf den Balkon, einen soliden, festen, mit einem massiven Geländer umgebenen deutschen Balkon. Es blitzte ihm kurz durchs Hirn, dass dieser Augenblick gewissermaßen die Krönung seiner Heilung war, der Gipfel der Desensibilisierung. Er ging auf dem Balkon auf und ab. Er fühlte sich ganz leicht und unbeschwert.
    Da gab der Beton unter ihm nach.
    Und im Augenblick des Abstürzens kamen alle überwunden geglaubten Ängste wie ein Wasserfall zu ihm zurück. Die Zeit zerdehnte sich zur Ewigkeit und während er einen Meter fiel, durchlebte er Jahre. Als die Ängste ihren Gipfel erreicht hatten, zerplatzten sie wie eine Seifenblase. Und er fühlte sich leicht. Unendlich leicht.
     
    ******
     
    Herwe sah ein Stück des gegenüberliegenden Balkons abbrechen und blitzartig in die Tiefe sausen. Ein Bündel Mensch fiel ihm nach, eine Zehntelsekunde später.
    Sie wusste, dass es Ragnos war. Irgendwie wusste sie es. Eine

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