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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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versuchte sie in die Rolle der Julia zu bringen.
    "Natürlich, natürlich! Also, wenn ich heute etwas hölzern wirke..."
    "Macht gar nichts, meine Liebe. Wir haben alle ab und zu einmal einen schlechten Tag. Ein Glas Champagner tut da Wunder, du wirst sehen."
    Herwe bezweifelte das. Elquist legte ihr seine riesigen Hände auf den Rücken und schob sie zum Aufzug.
    Herwe stieg ein Würgen in den Hals und ein Rauschen in die Ohren und trotzdem ließ sie sich in den Aufzug schieben.
     
    *****
     
    Sie hieß tatsächlich Ana-Maria und war dermaßen schön, dass Ragnos Gedanken und Gefühle in eine andere, intensivere, gefühlvollere Richtung zu schwimmen begannen, als er es vorgesehen hatte. Als sie das "Tudor" betrat und er sah, wie ihre Haare beim Gehen schwangen, jene Fülle von dunklen Locken mit diesen unnachahmlich südländischen goldenen Enden, mit ihrem dunklen Teint, dunklen, fast schwarzen Augenbrauen, da erfasste ihn die Gewissheit, dass er diese Frau nicht einfach nur beschlafen könnte. Ihre Schönheit traf ihn auf ungewohnte Weise persönlich, machte ihn betroffen, so dass er sie immer wieder ansehen musste.
    Ana-Maria war erheblich jünger als er. Vielleicht löste sie deshalb nicht sofort sein sexuelles Begehren aus, sondern Subtileres, zunächst einfach Bewunderung. Sie verbrachten einige schöne Stunden im "Tudor". Sie unterhielten sich. Ragnos erfuhr, dass sie aus einem kleinen , südspanischen Mittelmeernest nahe Cartagena stammte. Es hatte sie übers Studium nach Berlin verschlagen, und offenbar war es nicht nur das Geld, das sie zu Spezialaufträgen mit Sigrid führte. Ana-Maria sprach temperamentvoll, mit viel Kraft, ohne große Gesten, ohne übermäßige Mimik, aber irgendwie mit ihrem ganzen Körper. Sie war absolut präsent.
    Gegen 23.00 Uhr brachen sie zum "Seydlitz" auf. Ein weniger solides Hotel erschien ihm nicht der passende Rahmen für Ana-Maria. Sie bestellten ein leichtes Abendessen aufs Zimmer.
    Nachdem er mit dem Zimmerservice telefoniert hatte, sagte er zu ihr: "Du weckst ganz eigenartige Impulse in mir. Ich bekomme Lust, mit dir eine Reise in den Süden zu machen, nach Italien, eine poetische Reise, ich will dich in helles Licht getaucht sehen, will meine Farbtuben und Pinsel entstauben, dich malen."
    Sie lachte: "Die Spanier waren in Italien nicht sonderlich beliebt. Sie waren den Italienern und insbesondere dem Papst zu katholisch."
    "Dem Papst?"
    "Er hieß Rodrigo Borgias und war nicht gerade eine Zierde seines Amtes als Papst Alexander VI."
    "Ich hoffe, die Italiener haben den Spaniern inzwischen ihre Frömmigkeit verziehen?"
    "Neben ihrer Frömmigkeit störte die Italiener vor allem die spanische Unsauberkeit. Wer Länder erobern will, hat offenbar nicht die Zeit, sich gründlich zu waschen."
    Ragnos lag eine blöde Bemerkung, über Männer, die ihre Zeit nicht gerne mit Waschen vergeuden, auf der Zunge. Aber er unterdrückte sie. Stattdessen stand er auf und ging zur Balkontüre. Auf dem Weg dorthin wurde ihm klar, dass Ana-Maria seinem spontanen Einfall, nach Italien zu fahren, indirekt zugestimmt hatte. Er öffnete die Balkontüre. Milde Juliluft floss ins Zimmer.
     
    *****
     
    Elquist ließ nichts anbrennen. Kaum hatten sie das Hotelzimmer betreten, als er schon sein Jackett auszog. Ob er sich mit seinem westenumspannten Spitzbauch besonders attraktiv vorkam?
    Herwe registrierte überrascht, wie sehr Spitzbauchs Anziehungskraft auf sie in den letzten drei Stunden gelitten hatte.
    Er versuchte sie zu umarmen.
    Sie entzog sich ihm. "Lass uns ein bisschen reden", sagte sie, so sanft wie möglich. Warum sage ich das so sanft wie möglich, fragte sie sich.
    Elquist ließ nicht sofort von ihr ab. Er hielt Herwe mit ausgestreckten Armen von sich ab und sah sie intensiv an, fragend, aber auch mit Schmachten im Blick. Sein schwarzer Schnurrbart sträubte sich. Es sah aus, als ginge ein Nadelkissen in Angriffsposition.
    Herwe machte sich los.
    "Lass uns auf den Sekt warten!", sagte sie.
    Elquist ging zum Telefon und murmelte ein paar Sätze hinein. Was für eine Welt, dachte er, und was für eine komplizierte Frau! Er fühlte sich überfordert.
    Herwe setzte sich auf einen Sessel und sah zum Fenster hinaus. Alles an ihr fühlte sich starr und ungewohnt an. Doch nicht so ganz ungewohnt. Sie konnte eben nicht gut "Nein!" sagen.
    Durchs Fenster sah sie den dunklen Himmel über Berlin und eine erstaunliche Menge Sterne. Ihr fielen die drei leuchtenden Punkte im Gürtel des Orion auf.

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