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Mondgeschöpfe (Phobos)

Mondgeschöpfe (Phobos)

Titel: Mondgeschöpfe (Phobos) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schuck
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Träne rann ihr aus dem rechten Auge. Nur eine. Das Sternenlicht brach sich in ihm. Die Nachtluft war erfrischend. Herwe spürte keine Starre mehr.
     
     

"Black Box"
     
    Yason zuckte zusammen, als habe ihn ein Hieb getroffen. Aber es war kein körperlicher Schlag gewesen, nur ein Name. Lalien hatte nun schon zum zweiten Mal in dieser warmen Julinacht den Namen Raimond erwähnt.
    Yason hasste fremde Männer in Laliens Leben, vor allem attraktive. Selbstmitleidige Gedanken überfielen ihn: Warum musste sie sich gerade jetzt verlieben, in dieser schweren Zeit, wo er, der treue Intendant Yason Kinger, mühsam um ein neues Thema rang, ein neues Stück für seine "Black Box".
    Lalien beugte sich über ihn, streichelte - geistesabwesend, wie Yason argwöhnte - sein Kinn. Sommermondstrahlen fielen auf ihren schlanken Hals. Hass stieg mit verzehrender Gewalt in Yason auf, als er daran dachte, dass dieser Raimond vielleicht schon seine gierigen Finger auf Hals genau diesen Hals gelegt hatte.
    Lalien beugte sich etwas aus dem Bett, um sich ein Glas Champagner heranzuangeln. Aber sie trank nicht selbst, sondern sie reichte es Yason. Er nahm das zarte Glas, hielt es sinnend in der unruhigen Hand, und es zerbrach. Lalien zuckte zusammen.
    Yason sprang ungehalten aus dem Bett. Mit mir nicht, durchzuckte es ihn: Nicht mit mir. Ich bin nicht so dumm wie...
    Und dann wusste er, welches Stück er aufführen würde: Maria Stuart. Er würde dieses Stück aufführen, weil Tod und Verderben in die "Black Box" gehörten. Und er würde es aufführen, um Lalien und Raimond zu vernichten. Lalien auf der Bühne und Raimond mitten im Leben, durch die magischen Kräfte der "Black Box".
     
    Vier Wochen vor der Aufführung.
    Yason nahm als Intendant alles ernst, was mit der kommenden Aufführung zusammenhing. Bis ins letzte kleine Requisit hinein wurde alles mit großer Sorgfalt ausgesucht. Ende August war der Termin, auf den alles hinauslief. Nun suchte er mit Bernard, der den Mortimer in Schillers "Maria Stuart" spielen sollte, gemeinsam den bewussten Dolch aus, mit dem Mortimer sich töten sollte. Sie öffneten die Tür zu diesem kleinen Geschäft in der Bacchus Straße. Ein eigenartig modriger Geruch schlug ihnen entgegen.
    "Der Hauch der Geschichte atmet uns an", bemerkte Yason.
    "Die Geschichte scheint faulige Zähne zu haben", ergänzte ihn Bernard.
    Yason gönnte ihm diese kleine Freude in den letzten Tagen seines Lebens. Schließlich hatte sich Bernard als das geborene Opfer erwiesen. Yason war es leicht gefallen, Bernard einzureden, dass sein Leben die Bühne sei. Und als Bernard diesen Gedanken ganz in sich aufgenommen hatte, war es nur noch ein kleiner Schritt, über den optimalen, nicht mehr zu überbietenden, Höhepunkt eines Bühnenlebens zu sprechen.
    Es war ein wunderschöner Dolch. Eine italienische Arbeit des 15. Jahrhunderts, ein schlankes Stilett. Auf seine stumme, bösartige Klinge waren die lateinischen Wörter: interficio cito eingraviert, die übersetzt bedeuten: Ich töte schnell. Für Bernard klang das beruhigend. Aber sie gingen vorsichtshalber zu einem befreundeten Arzt, der am Tag der Aufführung zu den 70 ausgewählten Gästen gehören würde. Von ihm ließen sie sich erklären, wo genau Bernard mit welchem Druck das Stilett ansetzen musste.
     
    Eine Woche vor der Aufführung:
    In der  Generalprobe folgte Yason dem Verlauf des fünften Aktes mit sich erhöhender Spannung. Mit allen Fasern seiner Seele genoss er sein Lieblingsgefühl: Die Todesangst anderer, die sich auf der Bühne immer mehr zu verdichten begann. In dieser Angst lag nach Yasons Meinung der Stein der Weisen, die Grundlage allen Lebens, aller lebendigen Bewegung.
    Er hörte Melvil (Marias Haushofmeister, der sich später als vom Papst eingeschleuster Priester outen wird) sagen:
    "Nahm sie die Todespost mit Fassung auf?
    Man sagt, dass sie nicht vorbereitet war."
    Yason kicherte. Maria Stuar t, die in der realen Geschichte, wenn es so etwas überhaupt gibt, nie auch nur eine winzige Chance gehabt hatte, dieses Spiel um die Macht zu gewinnen, ausgerechnet sie lässt Friedrich Schiller die Todesbotschaft "unvorbereitet" treffen.
    Yason seufzte und strich sich genießerisch über den martialischen Schnurrbart. Er stand an eine der vielen Säulen gelehnt, die Yasons kleinem Theater, der "Black Box" etwas Klassisches gaben. Er sinnierte vor sich hin: Trifft uns die Nachricht des bevorstehenden Todes nicht immer unvorbereitet, obwohl wir es das ganze

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