Mondkuss
hoffte, die Zeit auf ihrer Seite zu haben. Ihre Hoffnung löste sich jedoch auf wie eine Seifenblase. Nach wie vor erschien Rafael in ihren Träumen, war unaufhörlich in ihren Gedanken. Morgens erwachte sie traurig, voller Sehnsucht, tränennass. Sie redete sich ein, dass sie sich einfach nur noch mehr in ihre Arbeit stürzen, sich noch mehr ablenken musste, dann würde sie ihn schon vergessen. Doch dieser Plan schlug fehl. Sie fühlte sich wie ein Tiger im Käfig. Innerlich getrieben, ruhelos. Wenn sie zu Hause war, lief sie ständig auf und ab, starrte dabei aufs Telefon. Leider blieb es stumm. Auch der Anrufbeantworter spuckte keine Nachrichten von Rafael mehr aus und als sie, aus einer tiefen Sehnsucht heraus, seine Nummer wählte, ließ sie es lediglich zweimal klingeln und legte nervös wieder auf. Wie ein Film zogen Bilder an ihr vorüber. Bilder von ihrer ersten Begegnung, dem ersten Kuss, von ihrer gemeinsamen Zeit und auch davon, wie kühl und unnahbar sie sich zuletzt gegeben hatte. Noch nicht einmal den Funken einer Chance zur Aussprache hatte sie ihm gegeben. Seine Beteuerungen hatte sie stets abgeschmettert, als wäre er ein Schwerverbrecher. Dabei klangen sie doch plausibel! Marleen begann nervös an ihren Nägeln zu kauen. Leider wurde ihr das erst jetzt bewusst. Zu spät! Bei diesen Gedanken spürte sie einen unerträglichen Schmerz in sich. Soll ich einfach zu ihm fahren und ihn um Verzeihung bitten? Diesen Gedanken schob sie weit von sich, denn sie hatte Angst, ebenso kühl und abweisend behandelt zu werden, wie sie ihn behandelt hatte. Feigling! Elender Feigling. Los, hol ihn dir zurück! Aber was sage ich ihm dann? Und was ist, wenn er dich in der Zwischenzeit gar nicht mehr will? Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, quälten sie, ließen ihr keine Ruhe.
Kapitel Sechsundzwanzig
Warmes Wasser rann ihr durch die Haare, nahm die letzten Reste des Shampoos mit sich und lief ihren Körper hinab. Ein schaumiger Bach, der im Abfluss verschwand. Der zarte Geruch von Rosenblüten verband sich mit dem Wasserdampf, verteilte sich im Raum. Marleen stand schon seit geraumer Zeit unter der Dusche, seifte sich immer wieder neu ein und ließ gedankenverloren warmes Wasser über ihren Körper laufen, in der Hoffnung, auch von innen gewärmt zu werden. Aus dem Wohnzimmer drang leise Musik zu ihr herüber. Die CD, die sie sich immer mit Rafael angehört hatte.
War es wirklich erst ein paar Wochen her, dass sie wie heute unter der Dusche gestanden hatte und ihn in der Küche rumoren und fröhlich pfeifen hörte? Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor. Eine Ewigkeit, die mit jedem Tag ein kleines Stückchen ihres Herzens fraß, sie innerlich erfrieren ließ.
Das Leben war leer und sinnlos geworden, und ihr wurde klar, dass sie nicht so einfach über Rafael hinwegkommen, ihn einfach nicht vergessen konnte. Sie vermisste ihn von Tag zu Tag mehr, und deshalb beschloss sie, einen Vorstoß bei ihm zu wagen. In ein paar Tagen fand die Eröffnung des „Moonlight“ statt.
Sie würde ihn überraschen.
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Laute Musik drang aus den Boxen. Eine indirekte Beleuchtung sorgte für ein heimeliges Licht und der Champagner floss in Strömen. Das „Moonlight“ war zum Bersten gefüllt. Überall standen, saßen oder tanzten vergnügte Gäste, ließen sich einen Cocktail nach dem anderen schmecken und erfreuten sich an dem Bufett, welches Rafael liebevoll zusammengestellt hatte.
„Schau mal, das ist Aaron Vanderberg, Erbe einer Juwelier-Dynastie. Er gehört zur Gattung Obermacho, ist mit einem goldenen Löffel im Mund geboren und hat es sich zum Lebensinhalt gemacht, um die Welt zu jetten – ständig auf der Suche nach Sex und Partys. Er ist berüchtigt für seine sexuelle Anziehungskraft und Verführungskunst.“ Helena wies in die Richtung, in der ein höchst attraktiver Mann in extravaganter Designerkleidung gerade eine Champagnerflasche köpfte, seine Begleiterin mit einer kleinen Erfrischung versah, indem er ihr etwas von dem prickelnden Nass in den Ausschnitt tropfte. Seine Zunge ließ er dann der feuchten Spur folgen.
„Mmhmm. Der Typ wäre eine Sünde wert!“ Kathrin pfiff leise durch die Zähne. „Vergiss es.“ Helena lachte kurz auf. „Dieser aufgeblasene Gigolo verdient höchstens einen Tritt ans Schienbein. Er spielt mit den Frauen. Benutzt sie, und wirft sie anschließend weg wie einen alten Schuh, der ausgedient hat. Dennoch ist er der Traum aller Frauen, was ich absolut nicht verstehe. Hinter seiner
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