Mondmilchgubel Kriminalroman
zusammengeschweißt, die es ihm erlaubt, seine Eierkartons sicher zu transportieren. Er braucht nie Werbung für seine Eier zu machen. Die Kunden fliegen ihm nur so zu. Nach der Arbeit das Vergnügen, das hat er von seiner Mutter gelernt. So liebt er es, vor dem Mittagessen noch ein bisschen in der Gegend herumzukurven und den Wind um die Ohren zu spüren.
Pünktlichkeit und Ordnung prägen Karis Leben. Punkt zwölf wird bei ihm zu Hause gegessen. Seit dem Tod seiner Mutter kocht seine Tante. Die Gerichte sind einfach, wiederholen sich häufig, aber das macht ihm nichts aus. Am liebsten mag er Herkömmliches: Knöpfli mit Chatzegschrei oder Ghackets mit Hörnli . Nach dem Essen macht er einen Mittagsschlaf, während seine Tante die Küche in Ordnung bringt. Sie besorgt auch die Wäsche. Danach müssen die Eier eingesammelt, gereinigt und in Kartons abgefüllt werden. Diese Arbeit mag Kari am liebsten. Hin und wieder kommt es vor, dass ein Ei kaputtgeht. Doch das stört ihn nicht. Mit Verlust muss man rechnen, sagt er allen, die es hören wollen. Gegen Abend geht er nochmals auf Tour, gewöhnlich so lange, bis er alle Eier verkauft hat. Kari ist mit seinem Leben zufrieden. Er redet wenig und wenn, nur über seine Hühner und seinen Sachs Tornado.
Kapitel 4
Erschöpft lässt Viktoria sich in Luciens Sessel fallen. Sie braucht Trost, doch der Zauber wirkt nicht. Sie sieht nicht, wie der Himmel sich im blauen Licht des Abends zartrosa färbt. Sie ist unfähig zu verstehen, dass Iris tot ist.
Das Klingeln der Hausglocke ertönt. Sie müht sich auf, reibt sich den schmerzenden Nacken. Sie schaltet die Außenbeleuchtung ein und späht durchs Fenster. Draußen steht ein rothaariger, groß gewachsener Mann.
»Einen Moment bitte«, ruft sie. Bevor sie die Türe öffnet, wäscht sie ihr Gesicht mit kaltem Wasser und bürstet ihr dichtes Haar.
Der späte Besucher zeigt ihr seinen Ausweis. »Möller, Kripo Zürich. Ich führe die Ermittlungen im Fall von Iris Brunner.« Er streckt ihr die Hand entgegen. »Ich habe ein paar Fragen an Sie. Darf ich eintreten?«
Sie bittet ihn mit einer Handbewegung herein. Der Fremde bückt sich, als er über die Schwelle tritt. Schon lange ist sie keinem Mann mehr begegnet, in dessen Anwesenheit sie sich genau richtig proportioniert vorkam. »Bitte nehmen Sie Platz.« Sie weist auf den Stuhl, auf dem kurz zuvor noch Kunz gesessen hat.
»Zuerst möchte ich Ihnen mein Beileid aussprechen. Das mit Ihrer Freundin tut mir sehr leid.«
Wie oft in seinem Leben hat er diesen Satz wohl schon aussprechen müssen, geht es ihr durch den Kopf.
»Sie wohnen hier oben ganz schön abgelegen.«
»Stimmt.«
»Eine gemütliche Wohnung.«
Sie findet, dass seine tiefe Stimme zu seinem Erscheinungsbild gut passt. »Ich verbringe viel Zeit in meinen vier Wänden, deshalb lege ich Wert auf Gemütlichkeit.« Sie mustert den rothaarigen Mann mit den ernsten, braunen Augen, die von einer ausgeprägten Stirnwulst überschattet werden.
»Wenn man das Haus von außen betrachtet, stellt man sich unweigerlich enge, niedrige Räume vor.«
»Ich habe das Erdgeschoss umbauen lassen. Was mich stört, ist, dass man bereits mitten in der Stube steht, wenn man das Haus betritt. Aber Sie sind sicher nicht gekommen, um sich mit mir über mein Haus zu unterhalten?«
»Sie haben recht. Oh, wen haben wir denn da?«
»Das ist Sphinx.«
Möller streichelt den silbergrauen Kater, der sofort zu schnurren beginnt.
»Er mag Sie. Das hat er nur bei Lucien, meinem verstorbenen Mann, gemacht. Wenn Sie es mit ihm nicht verspielen wollen, so rate ich Ihnen, ihn nicht zu vernehmen.«
Der Beamte schmunzelt. »Mal sehen, was sich tun lässt. Erwarten Sie noch jemanden?« Er zeigt mit seinem sommersprossenübersäten Arm auf die Küche.
»Ich wollte heute Abend für Iris Brunner und mich kochen.«
Er nickt verständnisvoll.
»Sollen wir uns unter die Veranda setzen?«
»Gute Idee.« Möller steht auf und folgt ihr nach draußen. »So eine mit Wildreben überwachsene Pergola habe ich mir auch immer gewünscht.«
»Die habe ich mir nach eigenem Plan anfertigen lassen. Mögen Sie ein Glas Wein?« Sie zeigt auf den Sizilianer.
»Nein, danke.« Auf seiner Stirn bilden sich tiefe Furchen.
»Sie wissen nicht, was Sie verpassen.«
»Möglich.«
Sie reicht ihm eine Karaffe mit Wasser und zwei Gläser, greift selbst nach der Weinflasche. Dann zündet sie die Tischkerzen an. »Warum musste meine Freundin sterben? Sagen Sie es mir!«
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