Mondmilchgubel Kriminalroman
ist bestimmt nicht der Täter. Er hat kein Motiv.«
»Wir werden sehen. Wer könnte Ihre Freundin Ihrer Meinung nach denn getötet haben?«
Jung zuckt ratlos mit den Schultern. »Soviel ich weiß, hatte sie keine Feinde.«
»Hatte sie außer Ihnen und ihrem Ehemann noch andere Menschen, die ihr nahestanden?«
»Ich glaube, ich war ihre einzige Freundin. Moment, wie konnte ich diesen Stalker vergessen! Seit Wochen wird Iris von einem aufdringlichen Kerl namens Bruno verfolgt. Seinen Nachnamen kenne ich leider nicht. Ich habe ihr wiederholt geraten, gegen ihn Anzeige zu erstatten, aber sie wollte nicht auf mich hören.«
»Wissen Sie, wo dieser Mann arbeitet?«
»In der Höhenklinik.«
»Hatte Ihre Freundin mit ihm ein Verhältnis?«
»Wo denken Sie hin! Seine aufdringliche Art ging ihr total auf den Wecker. Doch dieser Stalker hat sie immer wieder belästigt.«
»Wie belästigt?«
»Blumen, Anrufe, Briefe. Was weiß ich.«
Er notiert den Namen Bruno, Stalker, Pfleger, Höhenklinik, Blumen, Anrufe, Briefe. »Was für Briefe?«
»Was für Briefe wohl.«
»Wusste ihr Mann davon?«
»Nein. Sie wollte nicht, dass er es erfährt. Die Briefe hat sie immer sofort vernichtet.«
»So, so.« Er reibt sich sein Ohrläppchen. Gemäß seiner Erfahrung stalkten vor allem Männer, die von ihren Frauen verlassen wurden und sich damit nicht abfinden konnten. »Hatte Frau Brunner einen Liebhaber?«
»Ihr Liebesleben geht niemanden etwas an«, erwidert Jung grob.
»Ich weiß, was Sie denken. Ich kann Sie verstehen. Aber ein Mordfall ist keine private Sache. Sie wollen doch auch, dass der Täter gefasst wird, oder etwa nicht?«
»Also gut, Sie werden es ja sowieso erfahren. Iris hat vor einiger Zeit einen Mann kennengelernt, mit dem sie sich auf Anhieb gut verstanden hat.«
»Wissen Sie, wie der Mann heißt?«
»Manuel Vinzens.«
»Wissen Sie, wo er wohnt?«
»In Rüti. Er hat dort seine eigene Kinesiologiepraxis.«
»So, so … Wusste ihr Mann über diese Freundschaft Bescheid?«
»Ich glaube nicht.«
Er notiert Manuel Vinzens, Rüti, Kinesiologiepraxis, Mann wusste nicht Bescheid. »Wollte sich Ihre Freundin von ihrem Mann trennen?«
»Ich weiß es nicht«, lügt sie.
»Führte Ihre Freundin Ihrer Meinung nach eine gute Ehe?«
»Was ist heutzutage schon eine gute Ehe. Fangen nicht viele Ehen mit Leidenschaft an und hören mit Ernüchterung auf? Iris hat sich nie beklagt. Wenigstens nicht direkt. Allerdings glaube ich nicht, dass sie ihren Mann wirklich geliebt hat. Ich würde sagen, dass sich die beiden arrangiert haben, so wie sich andere Paare auch arrangieren. Ihr Mann hatte seine Arbeit, sein Bogenschießen und seinen Fußball. Sie ihre Bücher und die Natur.«
»Kam es oft vor, dass ihr Mann über Mittag zum Essen nach Hause fuhr?«
»Iris war eine ausgezeichnete Köchin. Kuno aß lieber zu Hause als auswärts. Er gehört zu den Männern, die es gern bequem haben.«
»So, so. Würden Sie ihn als eifersüchtigen Menschen bezeichnen?«
»Dass sich seine Frau mit mir angefreundet hat, schien ihm auf jeden Fall nicht zu passen.«
»Was Sie auf Eifersucht zurückführen?«
»Auf was sonst? Sind Sie verheiratet?«
Er nickt.
»Wie denken Sie über die beste Freundin Ihrer Frau?«
Es hat ihn tatsächlich auch schon gewurmt, wenn seine Ruth sich mit ihrer Freundin über intime Dinge unterhielt. »Hat er seine Eifersucht gezeigt?«
»Er hat Iris verschiedentlich vorgeworfen, dass ich kein guter Umgang für sie wäre.«
»Und, hatte er recht?«
»Nein. Vielleicht ist Iris durch unsere Freundschaft selbstbewusster, auch selbstständiger geworden. Ich denke jedoch nicht, dass Iris ihm je Anlass zur Eifersucht gab.«
»Wissen Sie, ob er seine Frau geschlagen hat?«
»Keine Ahnung. Ich bin jedoch nicht sicher, ob Iris es mir gesagt hätte, wenn es der Fall gewesen wäre.«
»Gibt es sonst noch jemanden, der mit ihr regelmäßig Kontakt hatte?«
»Iris ist bei Adoptiveltern aufgewachsen, die aber beide nicht mehr leben. Iris wollte ihre leibliche Mutter nie kennenlernen. Möglich, dass die noch lebt. Geschwister hat sie keine. Soviel ich weiß, auch keine sonstigen Verwandten. Auf jeden Fall hat sie nie welche erwähnt.«
»Was hat Sie mit Frau Brunner verbunden?«
»Gegensätzliche Pole ziehen sich an. Ich bin ungeduldig und unbeherrscht.«
Ja, das kann ich mir gut vorstellen, denkt er. Fasziniert beobachtet er, wie Jung während des Erzählens ihre Handflächen auf die Tischplatte legt und sich zu
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