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Monica Cantieni

Monica Cantieni

Titel: Monica Cantieni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Grünschnabel
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Johann.
    – Woher kommst du?
    – Von der Hernalser.
    – Wo ist Hernalser?
    – Die Hernalser. Hernalser Hauptstraße. Österreich.
    – Wo liegt das denn?
    – In Wien.
    Johann tupfte sich die Lippen mit einem Taschentuch ab. Mein Vater und Eli stellten sich dazu.
    – Die besten, geh, die allerbesten Schnitzel in meinem Leben waren das . – Aber sag, was macht der Tschusch da?
    – Was ist ein Tschusch ?
    – Einer von denen.
    Johann deutete auf Dejan.
    – Hast auch Neger?
    Mein Vater sagte kein Wort. Noch nicht einmal den Tschusch wollte er mir erklären.
    – Du musst ins Bett.
    – Ich will nicht.
    – Sie trinken alle. Es geht schnell wie ein Sonnenuntergang in den Tropen; kaum blinzelst du, ist die Sonne weg und die Nacht da und bringt die Leute zu Fall.
    – Wo sind Henry und Silvester?
    – Das weißt du doch.
    – Ich nenne ihn Vogel.
    – Wen?
    – Den Vogel.
    – Das ist kein richtiger Name.
    – Denkst du dir einen aus?
    – Ja.
    – Schreibst du ihn mir auf?
    – Gleich morgen, wenn die Gäste aus dem Haus sind.
    Seine Hände vergaßen das Versprechen. Sie waren anderweitig beschäftigt. Das waren sie immer. An jenem Tag zum Beispiel hatten sie die Hunde der Blondierten gekrault, den Toyota shampooniert, sie hatten Schnitzel geklopft, meine Mutter in der Küche um die Hüften gefasst und auf Henry und Silvesters Schultern gelegen, um ihnen im Stiegenhaus ein bisschen Mut zu machen, wieder zu gehen, weil außer Johann auch meine Mutter eine Allergie hatte gegen Afrika.
    – SO EIN SÜSSES KLEINES Ding.
    Tante Joujou war extra vom Dorf unter den Churfirsten hierher gefahren, um das zu sagen.
    Sie wiederholte sich.
    – Ein süßes Ding. Und so hübsch. Wo habt ihr es denn her?
    Auf dem Tisch lagen zwei endlos dünne, lange Brote, auf die Tante Joujou schwor. Baguettes hießen sie, und einen Käse, der rann, nannte sie reif , obwohl er nicht aus dem Garten kam. Mutters Seite, sagte mein Vater, Mutters Seite kommt aus Frankreich. Mutters Seite ist komplett verrückt, sagte er. Und nicht auszuhalten.
    Tante Joujou begann, im Kaffee zu rühren. Sie hatte die schönste Tasse bekommen. Die, auf der ein Reh mit weit aufgerissenen Augen aus dem Wald guckte, während der Jäger darauf zielte. Mein Vater nannte das eine klassische Jagdszene. Auf dem Unterteller war das Reh schon tot. Es lag auf Tannenzweigen und wartete auf den Koch.
    Hell, das Klingeln des Löffels, und leise. Wie Tante Joujous Stimme, die wissen wollte, ob ich erforscht wäre, weil man sich bei Kindern mit Hintergrund etwas holen konnte. Als Frau eines Apothekers hätte sie das gern gewusst, und eins war sicher: Ich wäre etwas dunkel, aber wir hätten gute Chancen, dass sich das noch auswachsen könnte. Sie seufzte und strich mir übers Haar. An einem Keks knabbernd, sagte sie noch dies und das, während mein Vater sich die Nasenwurzel knetete und an einer Tischtuchklammer die Feder prüfte. Meine Mutter trommelte mit den Fingern und warf ein paar zermatschte Oliven auf den Tisch.
    – Aus dem Flur. Da waren noch mehr. Genauer gesagt waren da viele. Ich habe sie heute aus allen Ecken gewischt, lauter schwarze schrumplige Dinger. Sie waren in die Ritzen getreten, aus denen ich sie dann gekratzt habe. Nicht, dass ich sonst nichts zu tun gehabt hätte mit der Beerdigung.
    Tante Joujou rührte in ihrem Kaffee, dass er in den Unterteller schwappte. Sie wurde ungern unterbrochen. Die Olivenreste zu einem Häufchen kehrend, sagte meine Mutter:
    – Es war allerdings eine schöne Beerdigung. Eine sehr schöne, muss ich schon sagen. Mit vielen Blumen. Mit sehr vielen. Mit richtig vielen Leuten, wie es sich gehört. Nicht alle das Gelbe vom Ei, muss man auch sagen, aber die Verwandtschaft kann man sich nun mal nicht aussuchen, auch nicht, wenn man so nobel ist, wie die Nachbarin es war. Sie hat sehr gern gelesen, sie ist mit einem Buch in der Hand gestorben, hat es sich auch leisten können, herumzusitzen und Bücher zu lesen. Nicht, dass ich ihr das nicht gegönnt hätte. Sie war überaus angenehm . – Nicht zu glauben, wie viele Bücher wir in der Wohnung gefunden haben. Und erst im Keller. Und auf dem Dachboden. Ganze Schrankwände voll. Schachteln, Kisten, Koffer: gefüllt mit Büchern. Nur Bücher . – Und diese Blusen. In Farben, du hältst es nicht für möglich.
    Tante Joujou schaute nicht von der Tasse auf, in der sie herumrührte. Im Gegenteil: Sie schien sie noch etwas genauer betrachten zu wollen, als wäre ihr die Jagdszene zum ersten

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