Emmas Story
1. Kapitel
»Gemütliche whg in ruhigem Altbau direkt am Wald, 4½ m hoher Raum, sonnig, Wohnküche (keine Einbauk.), großer, eingezäunter Garten (Hunde erlaubt)«
H unde?«, wiederholt Armin. »Wieso Hunde?«
»Was weiß ich«, seufze ich. »Vielleicht mögen die Vermieter einfach Hunde?«
Armin lässt ein schrilles Lachen hören. »Oder das Haus liegt für Diebe derart einladend in totaler Alleinlage am Waldrand, dass sich gar nicht genug Hunde dort aufhalten können.«
Jedes Wochenende das Gleiche!
Ich tue eine absolut perfekte Wohnung auf, und Armin meckert dran herum, bevor wir sie uns überhaupt angesehen haben.
»Kommst du trotzdem mit?«
»Sicher«, näselt er. Am Telefon fällt mir immer besonders auf, dass er nichts unversucht lässt, um seiner Stimme den betont schwulen Touch zu verleihen. »Aber dann kommst du auch mit zu meinem Zwei-Uhr-Termin, den ich gestern Abend vereinbart habe: Eine Männer-Dreier- WG im Zentrum, in diesen grünen Häusern gegenüber der Elisabethkirche, in die ich immer schon mal einen Blick werfen wollte.«
»Von der Fakultät?«, frage ich routiniert.
Was ich damit meine ist, ob die Männer in dieser WG schwul sind, und den Ausdruck liebe ich, weil ich die letzten Jahre als Dozentin an der Uni gearbeitet habe. Da ich gerade meine Doktorarbeit schreibe, muss ich im Moment zwar keine Kurse geben, aber an gewissen Begrifflichkeiten halte ich einfach fest.
»Fakten weiß ich keine. Gefühlt aber eher nicht. Deswegen wäre eine attraktive Freundin wie du bestimmt von Vorteil.«
»Ich hoffe nur, dass nicht gleich beide Kerle versuchen, mich dir auszuspannen.« Wir gackern.
»O. k., dann mach ich jetzt einen Termin mit der Wohnung im Grünen. Ich schick dir dann eine sms mit Adresse und Uhrzeit. Bis später.«
Nachdem ich aufgelegt habe, starre ich noch eine Weile auf die Wohnungsanzeige. Ich kann es nicht erklären, aber ich weiß, dass es sich hier um etwas Besonderes handelt. Es ist nicht wie sonst. Es fühlt sich anders an, auch wenn sich dieser Morgen von außen betrachtet in nichts von all den anderen Samstagmorgen der letzten Monate unterscheidet. Auch heute sitze ich mit meinem Müsli und einem Becher Kaffee am Tisch und studiere genüsslich die Zeitung, wobei der Geruch der Druckerschwärze die Vorfreude auf die Unternehmungen des Tages noch steigert.
Ich schnuppere. Ja. Das riecht nach großem Hausflur mit Fliesen im Mosaikmuster. Holztüren mit eingesetzten Jugendstilfenstern. Nachbarn, die morgens Tschaikowski hören und abends Klavier oder Saxophon üben. Eine wunderschöne Wohnung, die nur darauf wartet, ein Zuhause zu werden.
Unter der angegebenen Nummer meldet sich eine dynamisch wirkende Frau, die ich auf Mitte vierzig schätze. Wir verabreden uns für zwölf Uhr. »Sie sind wirklich spontan!«, kommentiert sie meinen Vorschlag. »Das gefällt mir.«
Lächelnd lege ich die Zeitung zur Seite. Das sollte für dieses Wochenende reichen.
Während ich weiter mein Müsli löffele, lasse ich den Blick durch die Küche schweifen. Sie ist gemütlich eingerichtet, so wie der Rest der Wohnung auch. Ich dekoriere gern, lasse Dinge schön erscheinen. Was andere Kitsch oder Schnickschnack nennen, dient bei mir dem Wohlfühleffekt.
Seit nunmehr sieben Jahren wohne ich hier. Und bis vor einem halben Jahr auch Ramona, meine Freundin, jetzt Ex-Freundin. Sie wohnte nur an den Wochenenden in dieser Wohnung, weil sie in Köln arbeitete und nicht jeden Tag vom Ruhrgebiet aus dorthin pendeln wollte. Jetzt hat sie ein kleines Appartement in der Nähe ihrer Arbeitsstelle.
Und mir ist klar geworden, dass in einem halben Jahr viel geschehen kann.
Zum Beispiel kann sich eine einzige Frau in sechs Monaten 32 Wohnungen, 7 Appartements und 9 WG -Zimmer anschauen, mit ihrem schwulen Freund einen Tanzkurs besuchen, einen Tai-Chi-Workshop absolvieren, auf der Kino-Abo-Karte zwei Freifilme erglotzen und trotzdem noch die Zeit finden, jede Woche mindestens ein Buch zu lesen.
Sie kann sich außerdem ein halbes Jahr lang fragen, wieso sie, nachdem Ramona ausgezogen war, bei einer gewissen wunderbaren Frau nicht landen konnte, nur weil diese irgendeiner dahergelaufenen Tierarzthelferin den Vorzug gegeben hat.
Aber ich bin nicht nachtragend. Ich treffe mich trotzdem noch mit Frauke, dieser wunderbaren Frau, und habe gelernt, mit der gewissen Tierarzthelferin Antonie einen höflichen Umgang zu praktizieren. Aber nach wie vor zählen die Momente, in denen die beiden sich in meiner
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