Monika B - Ich bin nicht mehr eure Tochter
Show ging weiter – ich hatte es gewusst.
Leder, Riemen, schlagen und geschlagen werden, fremde Typen auf mir und in mir, immer öfter der Club – alles wie gehabt. Einzig der Töchtertausch unterblieb.
Hatte mein Vater zu viel Angst? Konnte selbst er nicht vergessen, dass er Georg deswegen in den Tod geprügelt hatte? Spürte er etwa sein Gewissen?
Vor allem in der ersten Zeit nach Georgs Tod kam mein Vater oft sinnlos betrunken zu mir. »Du musst deinen armen Papa trösten«, lallte er dann und schluchzte vor sich hin, bis mir vor Mitleid ganz mulmig wurde. Doch kaum bildete ich mir ein, diesmal werde er wirklich nur gut mit mir und wie ein Vater sein, verwandelte er sich auch schon in das wilde Tier, das über mich herfiel. Die Arme und Beine gespreizt und an Tischbeinen festgebunden, war ich ihm und seiner betrunkenen Wüstheit wehrlos preisgegeben. Der Alkohol hob ihm den Magen und senkte die Potenz. Erbrochenes und Urin vermischten sich auf meinem Körper. Stundenlang gefesselt, bis zum Morgen, bis dieses Monster endlich in meinem Bett erwachte und sich lange genug vor Lachen über mich stinkendes Stück Leben ausgeschüttet hatte.
Einmalig blieben derartige Exzesse nicht. Mein wunderbarer Vater entdeckte voll Lust und Wonne, wie sehr er mich damit demütigen konnte, dass er mich nicht unter die Dusche ließ. Wie oft zwang er mich, noch spermabekleckert mit ihm eine Sportsendung zu sehen, ihn oder einen anderen während der Sendung mit dem Mund zu befriedigen. Schmutz in mir, an mir. Noch heute muss ich stundenlang unter die Dusche, und das Wasser muss so heiß sein, dass es mir die Haut fast ablöst.
Georg, hatte es ihn je gegeben? Größere Anschaffungen wie die noch immer neuen Möbel aus seiner Ecke unseres Kinderzimmers gingen in Stefans Besitz über. Da dieser eine neue Lehrstelle in einer Bäckerei angenommen hatte, konnte er sich nun endlich eine eigene kleine Wohnung leisten und freute sich über jedes Möbelstück. Damit ihm nicht alles gleich weggepfändet wurde, quartierte mein Vater Boris bei Stefan ein und gab vor, die Möbel stammten aus dessen Besitz. Georgs nagelneues Fahrrad erbte ich. Ich wusste, er hatte nichts dagegen.
Nichts in unserer Wohnung war von Georg geblieben. Sein Name durfte kaum erwähnt werden. Die einzige Erinnerung an ihn war ein übergroßes Knüpfbild mit seinem Porträt, das mein Vater, ein begeisterter Hobbyknüpfer, persönlich in stundenlanger Fleißarbeit anfertigte. Das Bild konnte sich sehen lassen, es war makellos geknüpft. Trotzdem gelang es mir nicht, dieses raue Wollfadengesicht, unter dem stets ein rotes Friedhofslicht brennen musste, mit meinem Bruder in Verbindung zu bringen.
Wären nicht meine stundenlangen Gespräche mit Boris gewesen, die sich fast alle um Georg und seinen Tod drehten, dann hätte sich mein Verstand wohl ebenso verwirrt wie der von Tante Susanne. Tuschelnd trug man sich in der Verwandtschaft zu, dass die Ärmste den erst jüngst zurückliegenden Tod ihres verehrten Schwiegervaters und den schrecklichen Unfall Georgs nicht verkraftet habe. Man habe sie in eine Anstalt bringen müssen, hieß es. Splitternackt und laut schreiend sei sie durch die Straßen gerannt. Die Polizei habe sie eingefangen und wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses nach Hause schaffen müssen. Der arme Mann – Richter und dann so eine Frau.
Wie gern hätte ich Tante Susanne damals besucht! Aber es wurde mir verboten, und zwar strengstens. »Eine Irre in der Familie reicht!«, sagte mein Vater, und meine Mutter fügte hinzu: »So eine ist ja eine Gefahr für die Kinder.«
»Und du?«, wollte ich schreien. »Du bist wohl keine Gefahr für die Kinder?« Aber ich schrie nicht. Noch immer nicht.
Boris schien den leeren Platz in meinem Leben, den Georg hinterlassen hatte, immer vollkommener auszufüllen. Er nahm mich, wie früher Georg, in den Arm, ohne mir dafür Bezahlung abzuverlangen. »Ich liebe dich«, sagte er, und ich wusste, dass es so war. Seine Verzweiflung über Georgs Tod und die bitteren Vorwürfe, die er sich immer wieder machte, weil er nicht gut genug aufgepasst hatte, rührten mich tief an.
Manchmal, wenn ich im Bett über ihm lag und am Wackeln des Gestänges merkte, dass er sich selbst befriedigte, legte ich mich neben ihn. Nicht aus Lust, nicht weil ich mit ihm Sex haben wollte, nein, zum Trost und weil ich wollte, dass er zur Ruhe käme.
Anfangs streichelte Boris mich in solchen Momenten nur, war mit wenig zufrieden. Seine
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