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Auferstehung 4. Band (German Edition)

Auferstehung 4. Band (German Edition)

Titel: Auferstehung 4. Band (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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Epilog.
Erstes Kapitel
    Die Abteilung des Transportzuges, der Katuscha angehörte, hatte eine Strecke von ungefähr fünftausend Kilometern zurückzulegen. Bis zur Station Perm war Katuscha auf der Eisenbahn gefahren, und erst an diesem Orte wurde sie, weil Nechludoff dringend darum bat, der Sektion der politischen Verbrecher überwiesen.
    Die Bogoduschoffska, welche diesem Zuge ebenfalls angehörte, hatte ihm nämlich den Rat erteilt, darum zu ersuchen. Die Fahrt bis zur Station Perm hatte Katuscha mancherlei Leiden und Beschwerden verursacht, sowohl in körperlicher, wie auch in moralischer Hinsicht. In körperlicher Hinsicht fühlte sie sich von der qualvollen Enge, der Unsauberkeit und den ekelhaften Insekten unangenehm berührt, die die Gefangenen keine Sekunde in Ruhe ließen; in moralischer Hinsicht dagegen wurde sie von den ebenso ekelhaften Menschen belästigt, die sich überall ebenso zudringlich zeigten, wie die Insekten, und – trotzdem man bei jedem Tagemarsch einen Wechsel der Gefangenen vornahm – ebensowenig Ruhe gaben und ebensowenig abzuschütteln waren, wie das Gewürm.
    Es hatte sich zwischen den Weibern, den Deportierten, den Aufsichtsbeamten und den die Trupps begleitenden Soldaten ein so gemeiner Ton entwickelt, daß jedes Mädchen unaufhaltsam vor Zudringlichkeiten auf der Hut sein mußte; dieser Zustand fortwährender Aufregungen und Angst, dieser beständige Kampf war aber im höchsten Grade entnervend und aufregend.
    Ganz besonders hatte Katuscha wegen ihrer anmutigen Erscheinung und wegen ihrer Vergangenheit, die wohl für keinen ein Geheimnis geblieben war, unter diesem zudringlichen Benehmen zu leiden. Der entschlossene Widerstand, mit dem sie jetzt allen Annäherungsversuchen der Männer entgegentrat, machte auf diese den Eindruck einer persönlichen Beleidigung, und so bildete sich nach und nach eine allgemeine Mißstimmung gegen sie heraus. In dieser Hinsicht wurde ihr nur in der Nähe von Fedossja und Taraß eine gewisse Erleichterung zu teil. Der letztere hatte in Erfahrung gebracht, welchen Belästigungen seine Frau ausgesetzt gewesen war, und um ihr schützend zur Seite stehen zu können, ließ er sich verhaften und wanderte seit Nischni-Nowgorod wie jeder andere regelrecht Verurteilte in den Reihen der Gefangenen mit.
    Dadurch, daß man Katuscha den politischen Gefangenen überwiesen, bekam ihre ganze Lage doch in jeder Hinsicht eine Wendung zum Bessern. Die politischen Gefangenen erhielten besseres Obdach, sie bekamen bessere Nahrung, und man behandelte sie nicht so furchtbar grob. Eine wesentliche Verbesserung erhielt ihre Lage aber dadurch, daß die Angriffe von seiten der Männer ein Ende nahmen, und man sie nicht fortwährend an ihr vergangenes Leben erinnerte, das zu vergessen ihr sehnlichster Wunsch war. Der größte Vorzug dieser Verbesserung bestand jedoch in dem Umstande, daß sie die Bekanntschaft gewisser Leute machte, die einen ausschlaggebenden Einfluß auf sie ausüben sollten.
    Bei den Ruhestationen hatte Katuscha die Erlaubnis erhalten, sich bei den politischen Gefangenen aufhalten zu dürfen; doch wenn man auf dem Marsch begriffen war, wurde sie als kräftige Person wieder zu den gemeinen Verbrechern zurückgeschickt, und so wanderte sie denn die ganze Strecke von der Station Tomsk an zu Fuß. Mit ihr wanderten noch zwei andere Personen zu Fuß, die ebenfalls den politischen Gefangenen angehörten: Marie Pawlowna Schtschetinina, das schöne Mädchen mit den sanften Augen, das auf Nechludoff, als er die Bogoduschoffska besucht, einen so tiefen Eindruck gemacht, und ein gewisser Simonson, den man nach dem Gouvernement Jakutsk deportierte. Das war der schwarze Mensch mit den zerlumpten Kleidern, der Nechludoff bei demselben Besuche aufgefallen war. Maria Pawlowna wanderte zu Fuß, denn sie hatte ihren Platz im Wagen einer Frauensperson abgetreten, die sich in anderen Umständen befunden hatte. Simonson aber ging deshalb zu Fuß, weil er es nicht für richtig hielt, aus einem Vorrecht Nutzen zu ziehen, das man ihm einzig und allein auf Grund seiner gesellschaftlichen Stellung eingeräumt hatte.
    Diese drei Personen brachen am andern Morgen mit den schweren Verbrechern auf und trennten sich von den politischen Gefangenen, die später per Wagen nachfolgten.
    Das war auf der letzten Etappe, bevor man in einer großen Stadt anlangte, der Fall, in welcher der ganze Gefangenentransport von einem neuen Offizier übernommen werden sollte.
    Es war sehr frühzeitig, der

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