Monkeewrench 04 - Memento
einer Art Außenrolle zementiert, das ausladende, pinkfarbene Kleid glänzte und knisterte leise bei jeder Bewegung. So ein Kleid hatte Gino zuletzt gesehen, als sein Vater ihm Fotos von seinem Schulabschlussball gezeigt hatte, der vermutlich irgendwann im Mittelalter stattgefunden hatte. Er setzte zu einer Bemerkung an, doch Gloria funkelte ihn an und richtete den Zeigefinger auf seine Brust.
«Hängst du an deinen Eiern, Rolseth?»
«Na klar.»
«Es ist nämlich definitiv kein guter Tag für dumme Sprüche.»
Gino nickte. «Gerade wollte ich sagen, dass du bisher das Beste an diesem Tag bist. Rot steht dir.»
«Hmpf.» Ihre fülligen Schultern entspannten sich ein wenig. «Das ist kein Rot, Blödmann, das ist Kirschblüte. Und falls du glaubst, dieses Kleid ist schrecklich, hättest du mal die Braut sehen sollen. Die sah aus, als hätte man sie in ein riesiges Spitzendeckchen gewickelt.» Mit einem Knistern und einem Stöhnen ließ sie sich auf ihren Stuhl fallen. «Gerade hat der Chief angerufen. Er war schon halb bei seinem Haus draußen am See, als er die Nachricht gehört hat. Wahrscheinlich ist er erst nach den Fünf-Uhr-Nachrichten wieder hier, aber das ist vielleicht nicht das Schlechteste. Die Lokalsender ballern auf allen Kanälen, und inzwischen hat auch CNN Wind von der Sache bekommen. Die lassen jetzt Bänder durchlaufen und reden vom Schneemann-Todesacker von Minneapolis. Das halten die offenbar für witzig.»
Magozzi spürte, wie sich seine Kiefermuskulatur verkrampfte. «Verdammt, wir haben es hier mit zwei toten Polizisten zu tun.»
«Tja, Polizistenmörder geben immer gute Schlagzeilen ab, aber sie fallen sofort auf den zweiten Platz in der Hitparade, wenn es einen Film gibt, in dem ein Haufen Polizisten vor den Augen plärrender Kinder Hunderte Schneemänner kaputt schlägt.»
«Mein Gott. Das zeigen die?»
«Aber hallo. Die Lokalsender, die überregionalen und inzwischen wahrscheinlich auch die internationalen. Überall läuft das verdammte Filmchen als Wiederholungsschleife. Der Chief hat für heute Abend um neun eine Live-Presse- Konferenz angesetzt. Er braucht also alles, was ihr habt, bis acht auf seinem Schreibtisch, damit er sich was zurechtbasteln kann.»
Im Büro saßen Johnny McLaren und Tinker Lewis an ihren Schreibtischen auf der anderen Seite des Raumes. Beide hingen am Telefon, vor ihnen stapelte sich der Papierkram. Sonst war kein Mensch da. Magozzi und Gino rollten zwei Bürostühle an Tinkers Schreibtisch, weil der von McLaren wie immer aussah, wie ein Abfallcontainer während eines Streiks der Müllabfuhr.
Tinker bedankte sich bei seinem Gesprächspartner und legte dann sanft den Hörer auf. Er machte alles sanft, das war schon immer so, seit Magozzi ihn kannte - nicht gerade eine weit verbreitete Eigenschaft im Morddezernat. Seine braunen Augen blickten immer ein wenig trübsinnig, doch heute sahen sie geradezu todtraurig drein. «Im Zweiten Revier durchforsten sie alles, was sie über Tommy Deaton und Toby Myerson auftreiben können. Ihre letzten beruflichen Beurteilungen, Haftberichte, Habseligkeiten aus ihren Spinden, alles, was nicht in den Hauptakten ist. Nach Ansicht des Sergeant gibt es da aber nichts Auffälliges ... nicht dass Ihm heute wirklich irgendwas auffallen würde. Die Jungs dort tragen heute alle nur Schwarz im Kopf.»
Magozzi nickte. «Wir müssen uns alles ganz genau anschauen und sehen, ob sich die Sache gegen die Polizei oder sogar speziell gegen das Zweite Revier richtet.»
«Ja, das macht denen auch Sorgen.» Tinker schaute zu McLaren hinüber, der den Telefonhörer ans Ohr gedrückt hielt und dabei eifrig auf ein Blatt Papier kritzelte. «Johnny redet gerade mit einem Typen, der privat viel mit Myerson zu tun hatte. Habt ihr was von Deatons Familie erfahren?»
Magozzi schüttelte den Kopf. «So viel, wie's ging, aber auch nichts Auffälliges. Seine Frau ist erst mal zusammengeklappt, als wir es ihr gesagt haben. Sie war völlig fertig. Was ist mit Toby Myersons Angehörigen?»
Tinker lehnte sich in seinem Stuhl zurück, schloss die Augen und sah wieder Toby Myersons Mutter vor sich, die verkrümmt in ihrem Rollstuhl saß. Die eine Hälfte ihres faltigen Gesichts hing herab nach einem Schlaganfall, der ihr die Gewalt über den halben Körper und fast das ganze Sprachzentrum geraubt hatte, Verstand und Gefühle aber waren intakt geblieben - ebenso wie die Augen, die viel mehr sagten, als Tinker eigentlich wissen wollte. «Er hat niemanden,
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