Monkeewrench 04 - Memento
Vater, der nachts wach liegt und auf die Nachricht wartet, dass seine Tochter tot ist ... Mann, ich weiß wirklich nicht, wen ich hier hassen und wer mir leid tun soll. Ich verdrehe mich so dermaßen bei diesem Fall, irgendwann sehe ich sicher aus wie ein Korkenzieher. Ich wärme schon mal den Wagen vor.» Er stapfte den Flur entlang, schnappte sich seine Jacke und knallte die Haustür hinter sich zu.
«Gino tut sich wirklich schwer mit diesem Fall», bemerkte Grace. Sie blickte zu Boden.
«Du doch auch. Wir alle.»
Sie brachte ihn zur Tür und sah zu, wie er seinen Mantel anzog. Sie sah etwa so erschöpft und mitgenommen aus, wie er sich fühlte, und er wusste, das war einer der Momente, in denen Grace allein sein musste. Sie ging ganz anders mit Problemen und Traurigkeit um als andere Menschen: Statt darüber zu reden, zog sie sich einfach an einen Ort zurück, an den Magozzi ihr bisher nicht hatte folgen können.
«Sollen wir das mit dem Essen heute Abend lassen?», fragte er sie.
Sie öffnete die Haustür für ihn. Ihre Augen wirkten wie verblasst im hellen Tageslicht, und er konnte ihren Ausdruck nicht deuten. Dann streckte sie die Hand aus, strich ihm über die Wange und küsste ihn dann rasch auf den Mund. Ein Küsschen im Grunde, eins von der Art, mit dem eine Frau ihren Mann verabschiedet, wenn er morgens zur Arbeit aufbricht.
«Bring deinen Pyjama mit», sagte sie.
KAPITEL 36
Am nächsten Morgen war die Aufnahme der vier Frauen, die einen Schneemann um den toten Toby Myerson bauten, der Aufmacher aller Nachrichtensendungen und prangte oberhalb der Falzung auf den Titelseiten sämtlicher Zeitungen im Mittelwesten. Die politischen Strippenzieher im Hintergrund des MPD taten ihr Möglichstes, um die undichte Stelle ausfindig zu machen, und hofften dabei inständig, sie beim BCA zu finden und nicht in ihren eigenen Reihen. Doch der Schaden war bereits geschehen. Wenige Stunden später war Bitterroot in den landesweiten Nachrichten.
Magozzi und Gino bemühten sich, so viel wie möglich davon zu ignorieren, sich mit zusammengebissenen Zähnen durch den Rest zu kämpfen und ihre Arbeit zu machen. Das Monkeewrench-Team hatte den Chatroom-Thread letztlich doch zu seinem Ausgangspunkt zurückverfolgt: ein Bibliothekscomputer der Minneapolis Public Library. Dort konnte wirklich jeder hereinkommen und einfach so die Computer benutzen - sie hatten also nichts in der Hand, um Bill Warner wegen Beihilfe zum Mord anzuklagen.
Fünfzehn Tage lang durchsuchten mehr als fünfzig Beamte des MPD, der Bezirksverwaltung von Dundas County und des Department of National Resources jedes einzelne Haus und Gebäude sowie die über vierhundert Hektar Land von Bitterroot. Sie fanden zahlreiche Waffen, die allesamt angemeldet waren, doch keine entsprach der ballistischen Analyse der Kugeln, die man bei den Polizeibeamten Tommy Deaton und Toby Myerson gefunden hatte. Außerdem fanden sie vierhundert Schals wie den von Grace und den auf dem Foto. Das Minneapolis Crime Lab und das BCA sahen die Schals einzeln durch und verglichen sie mit dem Standbild, das Grace entsprechend vergrößert hatte. Jeder Schal wies feine Unterschiede auf, die sich den zittrigen Händen der alten Dame verdankten, doch man fand keine konkreten Anhaltspunkte. Vermutlich gab es noch unzählige weitere solcher Schals an den unterschiedlichsten Orten - Laura hatte zu Protokoll gegeben, sie sticke die Schals seit Jahr und Tag, seit der Gründung von Bitterroot -, doch die Suche nach einer genauen Entsprechung blieb fruchtlos.
Mit jedem Tag, den die Suche dauerte, versammelten sich mehr Reporter vor den Toren und wurden zusehends lauter. Sie verlangten Einlass, verlangten Antworten. Die Medien wollten nicht mehr von der Geschichte lassen. Als die tagesaktuellen Nachrichtensendungen schließlich eine Pause einlegten, nahmen die Talkshows den Faden auf und spannen die Sache fort. Misshandelte Frauen, die zu Mörderinnen wurden, das war einfach zu sensationell, um es nicht auszuschlachten. Die Sitzungen des Bezirksrats von Dundas County wurden von Anwohnern und Politikern gestürmt, und allesamt forderten sie das Unvermeidliche: die Schließung von Bitterroot.
Gino und Magozzi verhörten jede einzelne Bewohnerin des Dorfes, kamen aber immer wieder auf Maggie Holland zurück. Es war nur logisch anzunehmen, dass sie als langjährige Verwalterin der Einrichtung über alles Bescheid wusste, was dort vor sich ging. Doch schon nach dem ersten Verhör war klar, dass
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