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Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Monkeewrench 06 - Todesnaehe

Titel: Monkeewrench 06 - Todesnaehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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Pflegemutter sich darauf eingelassen hatte, ihr eine Gutenachtgeschichte vorzulesen.
    Eulerich und Miezekatz stiegen ins Boot … In ihrem Boot, wie Erbsen so grün, fuhren sie unter den Sternen hin … Drauf fuhren sie weiter und immerzu fort, ein ganzes Jahr, zu jenem Ort, wo der Bim-Baum wächst …
    Für das traurige kleine Mädchen hatte die Vorstellung, einfach so aus dem eigenen Leben davonzusegeln, einen unwiderstehlichen Zauber gehabt. Vielleicht hatte Grace sich ja deshalb auf Johns Vorschlag eingelassen.
    Manchmal, wenn die Wellen sie so sanft wiegten und die Welt so friedlich war, erlaubte sie sich, das zu vermissen, was sie zurückgelassen hatte. Nicht unbedingt Minneapolis, ihre Kollegen bei Monkeewrench dafür aber umso mehr. Sie hatten mit Computern ein Vermögen verdient, indem sie Software für den Schulunterricht und Programme zur Verbrechensbekämpfung geschrieben hatten und auch ein Computerspiel, das – ohne dass die es beabsichtigt hatten – etliche Menschen das Leben kostete. Doch für Grace war die Arbeit die Rettung und ihre drei noch lebenden Geschäftspartner eine Familie.
    Computer hatten den Vorzug, absolut berechenbar zu sein. Man gab die korrekten Informationen ein und erhielt das erwartbare Ergebnis. Zwei plus zwei ergab vier. Immer. Bei Menschen war das nie so. Grace vermisste die Sicherheit ihrer Arbeit, vor allem aber vermisste sie ihre Freunde. Die mondäne, modeverrückte Annie Belinsky, den massigen, vollbärtigen, tätowierten und lammfrommen Harley Davidson und den spindeldürren, warmherzigen Roadrunner, die aktuelle Inkarnation der Vogelscheuche aus dem Zauberer von Oz. Genies, allesamt. Auch Magozzi fehlte ihr, aber an ihn versuchte sie nicht allzu oft zu denken.
    Heute Nacht war das Boot eine Wiege, die sanft vor sich hin schaukelte, und das Segel blähte sich leise wie ein in der Sonne trocknendes Laken auf einer Wäscheleine im mittleren Westen. Charlie hatte sich auf der schmalen Koje an Grace’ Bein gedrückt, sie spürte seinen Hundeatem an der Haut, und sein leises Schnarchen war eine ganz eigene Musik. All diese Laute und Bewegungen lullten Grace in den Schlaf, so wie immer.
    Bis sie den Laut hörte, der nicht dazu passte.
    Grace fuhr kerzengerade im Bett hoch, die Ohren angestrengt gespitzt. Sie hörte, wie sich die Segel sanft blähten und die Beschläge im leichten Wind rappelten, doch sie konnte auch verstohlene, vorsichtige Schritte ausmachen. Zu viele Schritte für John Smith, falls ihm nicht in den Stunden, seit sie sich verabschiedet und in ihre Kabinen zurückgezogen hatten, noch ein paar zusätzliche Beine gewachsen waren.
    Sie und John waren nicht mehr allein auf dem Boot; das entging auch Charlie nicht, der sich bereits aus seinem Schlafknäuel hündischer Glückseligkeit entrollt hatte, die Nase in die Luft streckte und ein leises Knurren hören ließ.
    Innerhalb von Sekunden erlebte Grace’ ruhiges Herz von neuem den alles verzehrenden Adrenalin-Kick, auf den sie so gern verzichtet hatte. Es war alles wie früher: Sie war nur noch Instinkt und Körperspannung, ohne jeden Gedanken. Vorsichtig richtete sie sich etwas weiter auf und spähte durch das Bullauge nach draußen.
    Dort war alles schwarz, so schwarz, wie es nur draußen auf dem offenen Meer sein konnte, und ihr Blickfeld beschränkte sich auf das winzige Fenster. Trotzdem merkte sie, dass sich an den Schatten, die sie inzwischen so gut kannte, etwas verändert hatte. Es sah aus wie ein an der Reling befestigtes Seil, mit einem improvisierten Knoten, wie ihn kein Seemann, der etwas auf sich hielt, je geknüpft hätte. Das war vorher nicht da gewesen, und es hatte auch jetzt nichts dort verloren.
    Grace spürte, wie ihr Herz ein paar Takte schneller schlug und ihr Gesicht vor plötzlicher Hitze zu kribbeln begann. Verflixt! Drei Monate hatte sie jetzt sicher und ohne Angst verbracht, sich zum ersten Mal in ihrem Leben fast wie ein normaler Mensch gefühlt und das weiß Gott genossen, so wie ein kleines Mädchen sein erstes Eis. Nun war das alles in Sekundenschnelle dahin, zerstört von denen, die da oben waren, ob sie nun Gutes oder Böses im Schilde führten.
    Grace duckte sich wieder auf ihre Koje. Charlie war vom Hab-Acht-Modus in Starre verfallen, und selbst im Dunkeln sah sie, dass er die schwarzen Lefzen hochgezogen hatte. «Bleib, Charlie», flüsterte sie ihm ins Ohr und nahm ihre Sig Sauer von dem auf Bootsmaßstäbe verkleinerten Mininachttisch. Während sie lautlos die wenigen

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