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Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran

Titel: Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric-Emmanuel Schmitt
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Entschuldigung.«
    »Moses, schweig. Ich lese. Ich arbeite...«
    Arbeiten, das war das allgewaltige Wort, das alles rechtfertigte...
    »Entschuldigung, Papa.«
    »Ach, zum Glück war dein Bruder Popol nicht so.«
    Popol, das war ein anderer Name für meine Minderwertigkeit. Mein Vater schleuderte mir sofort die Erinnerung an meinen älteren Bruder Popol ins Gesicht, kaum hatte ich mal wieder was falsch gemacht. »Popol war in der Schule der Fleiß selbst. Popol liebte Mathe, Popol machte nie die Wanne dreckig, Popol pinkelte nie neben das Klo. Popol liebte es über alles, die Bücher zu lesen, die Papa auch liebte.«
    Im Grunde war es gar nicht so übel, daß meine Mutter kurz nach meiner Geburt mit Popol auf und davon ist. War es doch schon schwer genug, gegen eine Erinnerung ankämpfen zu müssen, aber mit einer Makellosigkeit aus Fleisch und Blut wie Popol zusammenzuleben, das hätte meine Kräfte überfordert.
    »Papa, was meinst du, hätte Popol mich gemocht?«
    Mein Vater starrt mich an oder, besser gesagt, er versucht bestürzt, mich zu durchschauen.
    »Was für eine Frage!«
    Das war also die Antwort: Was für eine Frage!
    Ich hatte gelernt, die Menschen mit den Augen meines Vaters zu sehen. Mit Mißtrauen, mit Mißachtung... Mich aber mit einem arabischen Krämer zu unterhalten, auch wenn er kein Araber war - denn »Araber, das bedeutet in der Branche: Nachts und auch am Sonntag geöffnet« -, und den Dirnen zu helfen, das waren Sachen, die ich in einem Geheimfach meines Kopfes versteckte, das gehörte nicht zu meinem offiziellen Leben.
    »Warum lächelst du nie, Momo?« fragte mich Monsieur Ibrahim.
    Diese Frage traf mich wie ein Faustschlag ins Gesicht, ein Tiefschlag, auf den ich nicht vorbereitet war.
    »Lächeln ist nur was für reiche Leute, Monsieur Ibrahim. Das kann ich mir nicht leisten.«
    Sicher um mich zu ärgern, fing er an zu lächeln.
    »Meinst du vielleicht, ich bin reich?«
    »Sie haben doch immer Scheine in der Kasse. Ich kenne keinen, der den ganzen Tag so viele Scheine sieht.«
    »Aber die Scheine brauche ich, um die Ware zu bezahlen und die Miete. Am Monatsende, weißt du, bleiben nicht allzu viele davon übrig.«
    Und er lächelte noch mehr, als wollte er mich ärgern.
    »M'sieur Ibrahim, wenn ich sage, daß Lächeln nur was für reiche Leute ist, dann will ich damit sagen, daß es nur was für glückliche Leute ist.«
    »Na, da irrst du dich aber. Es ist das Lächeln, das glücklich macht.«
    »Quatsch.«
    »Versuch's.«
    »Quatsch«, sag ich.
    »Bist du höflich, Momo?«
    »Muß ich sein, sonst krieg ich was hinter die Löffel.«
    »Höflich sein ist gut. Freundlich sein ist besser. Versuch es mal mit einem Lächeln, und du wirst sehen.«
    Nun gut, wie auch immer, wenn man so nett darum gebeten wird von Monsieur Ibrahim, der mir eine Büchse Sauerkraut allerfeinster Qualität rüberschiebt, warum es dann nicht versuchen...
    Am nächsten Tag benehme ich mich wirklich wie ein Blöder, als ob mich in der Nacht was gestochen hätte: Alle und jeden lächle ich an.
    »Nein, Madame, ich bitte um Entschuldigung, die Aufgabe in Mathe hab ich nicht verstanden.«
    Zack: Lächeln!
    »Ich hab sie nicht geschafft!«
    »Gut, Moses, ich werde sie dir noch einmal erklären.«
    Noch nie erlebt. Kein Anschnauzer, kein Tadel. Nichts.
    In der Schulkantine...
    »Könnte ich noch ein bißchen Maronencreme haben?«
    Zack: Lächeln!
    »Ja, mit einem Klacks Quark...«
    Und ich krieg's.
    Beim Sport gebe ich zu, daß ich meine Turnschuhe vergessen habe.
    Zack: Lächeln!
    »Sie müssen noch trocknen, M'sieur...«
    Der Lehrer lacht und klopft mir auf die Schulter.
    Ich bin wie im Rausch. Keiner kann mir widerstehen. Monsieur Ibrahim hat mir die wirksamste aller Waffen gegeben. Ich befeuere die ganze Welt mit meinem Lächeln. Ich werde nicht mehr wie Ungeziefer behandelt.
    Nach der Schule renne ich in die Rue de Paradis. Ich wende mich an die schönste aller Dirnen, eine große Schwarze, die mich stets abgewiesen hat.
    »He!«
    Zack: Lächeln!
    »Gehen wir rauf?«
    »Bist du sechzehn?«
    »Sicher bin ich sechzehn, schon immer.«
    Zack: Lächeln!
    Wir gehen rauf.
    Und danach erzähle ich ihr beim Anziehen, daß ich ein Journalist bin, daß ich an einem Werk über die Prostituierten schreibe...
    Zack: Lächeln!
    ...daß ich es gerne hätte, wenn sie mir, falls sie nichts dagegen hat, etwas aus ihrem Leben erzählt.
    »Ist das auch wahr, du bist Journalist?«
    Zack: Lächeln.
    »Ja, Journalismusstudent...«
    Sie

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