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Moorehawke 01 - Schattenpfade

Moorehawke 01 - Schattenpfade

Titel: Moorehawke 01 - Schattenpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kiernan Celine
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Die stumme Katze
    D ie Wache wollte sie nicht passieren lassen. Selbst als Wynters Vater ihre Papiere vorwies und erklärte, dass man sie bei Hofe erwartete, blieb der Posten spöttisch und unfreundlich und weigerte sich, das Tor zu öffnen. Schließlich machte er die Pforte des Wachhäuschens wieder zu, und Wynter und ihr Vater mussten draußen warten, während der Soldat »sich umtun« ging.
    Bereits ein gesamtes Viertel der Schatten – zwei Stunden auf der nördlichen Uhr – verharrten sie nun dort vor der geschlossenen Tür des Wachpostens und Wynter spürte ihr Blut allmählich vor Zorn aufwallen.
    Die Männer, die Shirken dafür bezahlt hatte, ihnen Geleit aus dem Norden zu geben, waren lange fort. Wynter machte ihnen deshalb keinen Vorwurf. Ihre Aufgabe war es gewesen, sie und Lorcan sicher von einem Königtum ins andere, sie beide nach Hause zu bringen, und das hatten sie getan. Wynter hegte keinen Groll gegen sie. Ihre Führer waren auf der langen Reise nach Süden höflich und achtungsvoll gewesen, und Wynter zweifelte nicht daran, dass sie gute und ehrliche Männer waren. Doch sie waren keine Freunde, sie waren nicht treu ergeben – außer Shirken und der Aufgabe, für deren Erledigung sie von ihm ihren Sold erhalten hatten.

    Zweifellos hatten Shirkens Männer von der Spitze der Anhöhe aus beobachtet, wie Wynter und ihr Vater am Fuße des Hügels anlangten und die aus dicken Balken gefertigte Brücke über den Burggraben querten. Und sie hatten gewartet, bis die ihnen Anvertrauten unbeschadet den schützenden Schatten des Torbogens erreichten, bevor sie sich in die finsteren Kiefern zurückzogen und auf den Heimweg machten. Auftrag ausgeführt.
    Wynters Pferd Ozkar scharrte ungeduldig neben ihr. Er roch das warme Gras, das hinter ihnen in der Sonne dörrte, und das dunkle, klare Wasser des Grabens. Er war durstig und hungrig, und Wynter konnte ihm nicht verübeln, dass er schnaubte und mit den Hufen stampfte. Dennoch zupfte sie an seinem Zügel, um ihn zur Ruhe zu mahnen. Dann verlagerte sie ihr Gewicht unauffällig von einem Bein aufs andere. Auch sie war erschöpft, wundgeritten, des Reisens bis auf die Knochen müde. Doch mit ihren fünfzehn Jahren war ihr das höfische Zeremoniell bereits vertraut, und so blieb sie äußerlich gleichmütig, als machte ihr dieses endlose Warten in der Hitze nicht das Geringste aus.
    Zwar mochte die geübte Unbewegtheit ihrer Miene nichts verraten, in Wahrheit allerdings konnte sie ihre Ungeduld kaum zügeln: Sie wollte nichts sehnlicher, als ihre Stiefel von sich schleudern und barfuß über die Wiesen rennen, sich ins hohe Gras werfen und den Himmel betrachten.
    Sie hatten so lange Zeit in der grauen Kälte des Nordens zugebracht, dass die flirrende Hitze und das helle Licht ihrer Heimat wie weißer Wein für sie waren. Sie sehnte sich danach, in diesem Licht zu baden. Sie sehnte sich danach, ihren Vater an der Hand zu nehmen und ihn in die Sonne zu zerren, damit ihm der heiße Sommer wieder etwas Wärme in die Knochen glühte.

    Er hatte also gut daran getan, nicht von seinem Pferd abzusteigen. Dort saß er, so still, dass sich Wynter durch einen verstohlenen Seitenblick vergewisserte, ob er noch wach war. Ja, war er. Sie konnte seine Augen im Schatten der Hutkrempe schimmern sehen. Er sah weder nach rechts noch nach links, sein Blick war nach innen gewandt – während er auf die Erlaubnis wartete, nach Hause zu kommen. Sein großer Körper jedoch war vor Erschöpfung gebeugt, und die Lähmung in seinen Händen, dort, wo sie geduldig auf dem Sattelknauf verschränkt lagen, wirkte schlimmer als sonst.
    Sorgenvoll betrachtete Wynter seine zuckenden Finger. Alte Männer zitterten so, nicht breitschultrige Handwerker von dreiunddreißig. Schluss damit , schalt sie sich, wandte den Kopf wieder nach vorn und drückte den Rücken durch. Eine erholsame Nachtruhe und eine anständige Mahlzeit, und er ist wieder frisch wie der junge Frühling! Sie rieb die Fingerspitzen aneinander, fühlte die tröstliche Taubheit von Narbe und Schwiele. Würdige Hände. Sie beide hatten würdige Hände. Hände, mit deren Hilfe man jede schwierige Situation meistern konnte. Aus Gewohnheit schielte Wynter zu der Werkzeugrolle auf dem Rücken ihres Pferdes und von da zu dem ähnlichen Bündel hinter dem Sattel des Vaters. Alles an Ort und Stelle.
    Unmerklich trat sie wieder von einem schmerzenden Fuß auf den anderen und wünschte sich zum ersten Mal in ihrem Leben, statt der engen Reithose

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