Moorehawke 02 - Geisterpfade
auf, das Gesicht eine finstere Drohung, das Schwert gegen seinen Hals gedrückt. Fassungslos und gekränkt starrte der rothaarige Krieger zu seinem Anführer empor, aller Kampfgeist war mit einem Schlag erloschen.
Wynter kam schlitternd zum Stehen, völlig außer Atem.
Es herrschte verblüffte Stille.
Hinter dem Feuer stand Wari über Thoar, den Fuß auf der Waffenhand des benommenen Mannes, das Schwert an seinen Hals gelegt. Hallvor kniete neben Frangok, sprach eindringlich auf sie ein und knetete vorsichtig ihre Kehle.
Zittrig nahm Wynter all das auf, ganz allmählich richtete sie sich gerade auf, und auch Christopher, immer noch auf den Knien liegend, löste sich nach und nach aus seiner Starre und ließ die Hände sinken. Er blickte sich mit derselben schwindligen Verwirrung um wie Wynter. Ihre Blicke trafen sich, dann jedoch wurde er von etwas hinter Wynters Rücken abgelenkt, und seine Züge erschlafften vor Schreck. Blitzartig wirbelte Wynter herum.
Soma schritt zielstrebig auf Razi zu, einen Dolch in der
Hand, und Razi, gebannt von der unverbrüchlichen Aufmerksamkeit des Geists seiner Geliebten, bemerkte die Gefahr gar nicht. Gerade trat Embla aus dem Wald auf ihn zu und sah ihm in die Augen. Sie legte ihm eine schimmernde Hand auf die Brust, und Razi keuchte und riss den Arm nach oben, als wollte er sie von sich stoßen.
»Nein …«, stammelte er. »Nicht …«
Soma erhob den Dolch.
»Razi!«, schrie Wynter. » Razi! «
Als sie Wynters Stimme vernahm, neigte Embla den Kopf und blickte an Razi vorbei zu Soma.
»Ar fad do Chroí an Domhain« , wisperte Soma, unverwandt das Gespenst anstarrend, die Augen vor Furcht weit aufgerissen. »Ar fad do Chroí an Domhain.«
Sie holte aus zum tödlichen Hieb.
Verträumt, beinahe geruhsam hob Embla die Hand, und Soma erstarrte mit einem Ruck. Ihr Kinn klappte nach unten, die Augen quollen entsetzt hervor.
»Soma an Fada, Tochter der Sorcha an Fada«, murmelte Embla liebevoll. »Du bist deiner Pflicht entbunden.«
Embla spreizte die Finger, und der Dolch fiel aus Somas Hand und rollte in das Laub zu ihren Füßen. Dann sah Embla die Waffe an, und sie schoss durchs Unterholz davon, bis sie außer Somas Reichweite an den Feuersteinen liegen blieb. Stöhnend sank Soma auf die Knie, umklammerte ihre Hand und wiegte sich, als litte sie große Schmerzen.
Embla lächelte Wari an. »Wari an Fada, Sohn des Sven an Fada, tritt vor und sorge dich um dein anderes Herz.«
Ungläubig starrte Wynter die wunderschöne Erscheinung an, zu ihrer größten Verwunderung sprach Embla völlig anders als vorher. All das Unbeholfene, Zögernde war verschwunden, keine Spur mehr von ihrem schleppenden Akzent
zu hören. Wynter war überzeugt davon, dass Embla Südlandisch gesprochen hatte, eine Sprache, die Wari nicht verstand. Doch schon lief der Hüne los, die Miene vor Besorgnis um seine Frau verzerrt, und Wynter begriff mit einem Schlag: Embla sprach nicht Südlandisch. Sie sprach auch nicht Merronisch. Es war eine andere Sprache, zugleich fremd und vertraut, unbekannt und doch allen bekannt.
Wari half Soma auf, und sie schmiegte sich in die Zuflucht seiner Arme, hielt seine Hand und jammerte. Vorsichtig, den Blick auf Emblas Geist geheftet, führte Wari seine Frau zurück zu den anderen.
»Erhebt Euch«, befahl Embla den Merronern. »Erhebt Euch nun, und lasst von diesem Kampf gegeneinander ab.«
Die Krieger gehorchten, die ehemaligen Gegner stützten einander nun, und Embla wandte sich erneut Razi zu. Sie lächelte ihr träges, sinnliches Lächeln, ihre Augen tasteten sein Gesicht ab. Die leuchtende Hand, die sie auf sein Herz gepresst hatte, schien ihn zu bannen, sein Körper schwankte leicht hin und her, der eigenen Gewalt entzogen. Immer noch hatte er die Hand mit gespreizten Fingern erhoben, wie um Embla abzuwehren, und seine Gesichtszüge zuckten verzweifelt.
Da trat Christopher neben Wynter. »Lasst ihn gehen, Caora«, sagte er leise. »Er gehört Euch nicht.«
Wynter hob ihren Dolch, obgleich sie wusste, dass er gegen diese Art der Bedrohung nutzlos war. »Lasst ihn gehen, edle Dame«, flüsterte sie. »Bitte.«
Embla beachtete sie beide überhaupt nicht. Nur Razi war für sie von Bedeutung, und sie betrachtete ihn mit sehnsüchtiger Zärtlichkeit. »Tabiyb«, hauchte sie. »Mein guter Mann.«
Beim Klang ihrer Stimme schien sich aller Schmerz aus Razi zu verflüchtigen, sein Körper lehnte sich plötzlich gelöst
an ihre stützende Hand. Er blinzelte, als sähe
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