Mops und Möhren
kneift.
»Ja klar, da war das noch ein Palazzo Protzo«, kann ich mir nicht verkneifen zu sagen. »Du verkennst die Realität«, schiebe ich nach. Und das tut Chris in der Tat: Der lange Winterschlaf, der sich über die Kolonie gelegt hatte, hat wohl auch den Sehsinn meines Mitbewohners getrübt. Vom Geruchssinn ganz zu schweigen.
»Die Hütte war damals schon eine Bruchbude«, gibt Rolf mir recht. Tröstend legt er den Arm um Chris’ Schultern. »Das bekommen wir wieder hin.«
Chris schnieft leise und sieht dann mit seinem Hundeblick von mir zu Rolf und wieder zurück. »Echt?«
Ohne mich, will ich rufen. Ich habe keine Lust, in der schimmeligen Miefbude die Tapete aus einem Vorkriegsbaumarkt abzureißen oder auch nur einen von den Römern gedengelten Nagel in die morschen Bretter zu kloppen. Von Arne mal ganz abgesehen … wenn mein Tierarzt zurück ist von seinem Seminar, dann wollen wir uns ganz bestimmt nicht um das flohstrotzende Bett in der Laube kümmern.
»Klar«, sage ich stattdessen. Mist. Ich bin zu nett. Aber kann man einem Kerl, der aussieht wie eine Mischung aus George Clooney und dem jungen Johnny Weißmüller und der einen ansieht wie Lassie etwas abschlagen? Eben.
Chris strahlt, als habe jemand eine Glühbirne in seinem Kopf angedreht. Und zwar eine von denen, die längst vom Markt genommen wurden, nicht die funzeligen Energiesparlämpchen. Über seinen Kopf hinweg tauschen Rolf und ich einen Blick aus, der ganz klar sagt: »Aber heute nicht!« Selbst die Hunde scheinen die Stimmung zu spüren. Earl, in diesem Moment ganz der Lord von Cockwood, reckt seine Plattnase in den Wind und watschelt mit stolz erhobenem Ringelschwänzchen zum Wasserhahn, wo wir einen Blechnapf aufgestellt haben. Mudel saust hinterher, kann nicht mehr rechtzeitig bremsen und landet mit den Vorderpfoten im Napf. Das Wasser spritzt und Earl bellt entrüstet. Rolf drückt Chris seine leere Proseccodose in die Hand.
»Kann ich mal eben den Autoschlüssel haben?«, fragt er dann.
»Klar!« Ich ahne, dass der Gute ein Ablenkungsmanöver par excellence plant. Rolf ist zwar unter uns dreien der beste Heimwerker, aber das heißt noch lange nicht, dass er sich sofort und auf der Stelle in die Renovierung der Laube stürzt. Ich werfe ihm den Schlüssel zu. Chris kann gar nicht so schnell winken, wie Rolf aus dem Garten sprintet.
»Bin gleich wieder da!«, ruft er. Die Scharniere des Gartentürchens quietschen. Mudel quietscht zurück.
»Na, wen sollen wir zuerst ölen, das Tor oder den Hund?« Ich knuffe Chris in die Seite. Der stöhnt theatralisch, stopft die Dosen in die Tüte zurück und reicht mir die Hand.
»Spring auf, oh edles Fräulein«, sagt er. Ich schlage ein. Aber als er mich in die Laube ziehen will, bohre ich die Hacken in die Erde.
»Oh nein, mich bekommst du in dieses Loch nicht rein«, rufe ich. »Erst mal muss da drinnen gelüftet werden!«
Chris zieht einen Flunsch. »Hast ja recht. Eigentlich. Na ja, dann fangen wir eben hier draußen an.« Das liebe ich so an Chris – wenn er mal schlechte Laune hat, dann hat sie das Verfallsdatum eines Sushiteilchens in der Sonne. Lange stinkig kann mein Lieblingsflorist nie sein. Chris fummelt einen Lageplan des Gartens aus der Tasche. Umständlich faltet er das Papier auseinander und breitet es dann auf den Stufen aus.
»Wow«, sage ich. Was ich sehe, hat mit unserer Parzelle ungefähr so viel zu tun wie ein Paar ausgelatschte Sneaker mit echten Manolo Blahniks: Vor mir liegt der Plan eines perfekten Englischen Gartens. Brunnen und Heckenlabyrinth inklusive.
»Na ja, alles wird keinen Platz haben«, sagt Chris und seufzt beim Blick auf die heruntergekommenen Büsche und das bisschen Freifläche, das sich Rasen schimpft. »Aber ein paar Ideen können wir umsetzen.« Ich will ihn nicht entmutigen und stimme kopfnickend zu. Er wird schon selbst merken, dass die sieben rosenberankten Bögen nie und nimmer Platz haben. Von der Voliere ganz zu schweigen.
Wenig später kläffen der Mops und sein lockenbefellter Sohn empört. Denn Chris beschließt, genau den verkrüppelten Strauch, unter dem sie sich zu einem Nickerchen zusammengerollt haben, als Erstes in die ewigen Jagdgründe zu befördern. Mit meiner Hilfe, klar. Wie praktisch, dass er zwei Spaten gekauft hat, so können wir dem, was einmal eine Forsythie war, von zwei Seiten an die Wurzeln gehen. Und die sind stark. Verdammt stark. Ich hätte nie gedacht, dass so ein bisschen Geäst sich so fest ans Leben
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