Mops und Möhren
direkt auf das Gesicht der Fee. Passt prima zum Ketchup auf ihrem Flügel. Macht mich aber sicher nicht satt. Einzige Alternative: Ich klaube den restlichen Salat aus Hünkens Bart. So weit will ich dann aber doch nicht gehen.
Apropos gehen: Das will Klaus offensichtlich nicht. Fasziniert und mit Bierdose Nummer drei in der Hand sieht er dabei zu, wie Earl erst den Ketchup von der Wurst schleckt und wie dann erst Grillgut und danach der Pappteller im Mops verschwinden.
»Das sollte er nicht tun, ist nicht gut für seinen Magen«, sagt Chris, als er den hilflosen Blick unseres Gastes bemerkt.
»Er bekommt Medikamente«, sage ich zur Erklärung. »Hat Epilepsie.« Aber weil ich dabei Chris anschaue und nicht den Hund, muss Hünken denken, der Pächter von Parzelle 42 sei der Epileptiker. Der Mund unter dem Bartgestrüpp verzieht sich.
»Der Hund! Der Hund nimmt Medikamente, Chris ist völlig gesund«, rufe ich. Hünken sieht mich fragend an, entspannt sich dann aber sichtlich und trinkt einen langen Schluck aus seiner Dose.
»Tanja ist Tierretterin«, gibt Rolf zu Protokoll. Woraufhin Hünken fragend die Augenbrauen hebt und mich von oben bis unten und wieder zurück mustert. Danach scannt er mit dem selben Blick die Hunde. Okay, der Mops steht mächtig gut im Futter. Und Mudel sieht auf seinen Stummelbeinen, mit der platten Schnauze und dem gelockten Fell nicht gerade wie ein Zuchtrüde aus.
»Du arbeitest beim Tierschutz? Bist du so … eine … Hühnerbefreierin?« Das letzte Wort presst Hünken mit Mühe hervor. Wahrscheinlich tauchen vor seinem geistigen Auge gerade Bilder auf, wie ich nachts in Legebatterien einbreche, um halb gerupfte Hühner zu klauen. Die ich dann in der Laube hier mit dem Gnadenbrot füttere.
»Oh nein, sie ist Arzthelferin«, springt Rolf ein. »Sie arbeitet als Assistentin beim Tier-Rettungswagen.« Hünken nickt. Erleichtert, wie mir scheint.
»Wisst Ihr, wir sind hier eine ehrenwerte Kolonie«, sagt Hünken und strafft sich. »Wir legen Wert auf ein gutes Miteinander.« Rolf und Chris nicken. Ich verdrehe innerlich die Augen. Spießer. Hünken greift zu seinem Klemmbrett und räuspert sich. Aha, jetzt wird’s also offiziell.
»Der Grund meines Besuches ist der, dass ich Ihnen, also … dass ich euch die neue Gartenordnung übergeben will. Soll. Also … muss.« Klaus knispelt das oberste Blatt vom Klemmbrett.
»Ihr wart ja bei der Mitgliederversammlung Anfang Dezember nicht da«, sagt er und fixiert uns der Reihe nach. Chris bekommt sofort ein schlechtes Gewissen und senkt betreten den Kopf. Rolf hält Hünkens Blick stand. Ich sowieso. Ich bin ja auch nur Gast hier. Über den Tisch weg zwinkert Rolf mir zu, als Klaus wieder auf sein Klemmbrett starrt. Und dann geht’s los. Punkt für Punkt liest er uns die Paragraphen der Gartenordnung vor, als ob wir selbst des Lesens nicht mächtig wären. Die Hecken dürfen höchstens 1,20 Meter hoch sein. Die Lauben dürfen von außen nur mit weißer, blauer oder grüner Farbe gestrichen werden, um das Gesamtbild nicht zu zerstören. Übernachtungen in den Lauben sind nicht erwünscht, aber auch nicht streng verboten – einige Mitglieder, erläutert der Vorsitzende, verbringen regelmäßig die kompletten Wochenenden in der ›Wonne‹, denen könne man das Gewohnheitsrecht schlecht ausreden. Es folgen Aufzählungen der gestatteten Pflanzenarten, was Chris mit einem leisen Murren zur Kenntnis nimmt – ich nehme an, sein schöner Gartenplan löst sich gerade in Wohlgefallen auf. Betonierarbeiten sind nur im Rahmen des Üblichen, also für kleine Gartenwege gestattet. Rasenmäher dürfen niemals an Sonn- und Feiertagen betrieben und Laubsauger nie und nimmer und auf gar keinen Fall eingesetzt werden.
»Wegen der Igel und Insekten«, erklärt Klaus Hünken. »Die saugt man dann ja mit auf.« Aha, klar, auf einen gehäckselten Igel haben wir auch keine Lust. Eine weitere Dose Bier und das letzte Würstchen, auf das Earl schon spekuliert hatte, landen in Klaus, ehe er mit der Verlesung der Vereinsregeln durch ist. So wird von uns gewünscht, dass wir an den regelmäßigen Vereinsabenden in der kolonieeigenen Kneipe teilnehmen, dass wir den Weg vor unserer Laube von Unkraut freihalten und dass wir mindestens einen Obstbaum im Garten stehen lassen. Dann, meint Klaus, stünde einem erfolgreichen und friedvollen Leben als Laubenpieper nichts im Wege.
Chris nickt so stark mit dem Kopf, dass ich befürchte, seine Haare lösen sich und segeln
Weitere Kostenlose Bücher