Mops und Möhren
starre auf das Datum ›24. April‹ und rufe: »Kinder, wie die Zeit verfliegt!«
Chris schlurft in Pantoffeln in die Küche. Seine Augen sind verquollen und die Haare stehen vom Kopf ab, als habe er in eine Steckdose gelangt.
»Mann, Prinzessin, hast du ekelhaft gute Laune«, brummt er und zapft sich eine Tasse schwarzen Kaffee.
»Riechest du nicht den Frühling? Spürest du nicht das laue Lüftlein?«, säusele ich und reiße die Balkontür auf. Tatsächlich ist es draußen mild. Und sonnig. Der Duschvorhang bläht sich im Luftstrom und gibt eine Prise Mangoseifenduft frei. Einer der Vorteile unserer Wohnung ist ja, dass man direkt aus der Dusche beobachten kann, wie das Nudelwasser kocht. Am Anfang war das gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweile wissen Chris, Rolf und ich die Vorteile unserer ›Wasch-Küche‹ zu schätzen.
Chris schlürft seine Koffeinbrause und streckt die Nase – übrigens ein sehr schönes Näschen – zur Tür hinaus. Schnuppert. Und lächelt dann.
»Perfekt«, sagt er und kippt den mit Sicherheit noch sehr heißen Kaffee in einem Zug runter.
»ROLF!«, brüllt er dann. Earl springt von seinem Kissen, das unter dem Esstisch liegt, auf. Mudel wimmert vor Schreck.
»Rohooolf!«, schreit Chris noch einmal. »Steh auf! Wir gehen in den Garten!« Earl saust auf seinen Stummelbeinchen unter dem Tisch vor. Mudel, der inzwischen einen halben Kopf größer als sein Vater ist, bellt entzückt. Mit der platten, aber mit schwarzen Locken umgebenen Schnauze stupst er Chris an.
»Ist ja gut, ihr kommt auch mit«, sagt der und tätschelt beide Hunde abwechselnd auf den Kopf, wobei er mit der anderen Hand die leere Kaffeetasse in meine Richtung streckt.
»Willst du noch einen?«, frage ich. Chris schüttelt den Kopf.
»Keine Zeit«, sagt er. »Und nun mach hinne, Prinzessin, du kommst auch mit.«
Ich ahne, dass Widerspruch zwecklos ist. Und eine Ausrede will mir auch nicht einfallen. Kopfschmerzen ziehen nur bei Heteromännern, und der, den ich als Date angeben könnte, ist just heute zu einem zweiwöchigen Seminar gen Hamburg aufgebrochen. Irgendein sauteurer Kurs an der Tierklinik, die sich mit den Gebühren meines Schatzes wahrscheinlich ein neues Röntgengerät anschafft. In der Deluxeversion. Okay, Fortbildung muss sein. Und, auch noch okay, die Eltern auf Langeoog besuchen, von mir aus. Arne kann ja nichts dafür, dass Paul und Hella ihren Lebensabend auf der Nordseeinsel verbringen wollen. Nicht ganz okay bei der Sache: Seine Ex lebt derzeit ebenfalls auf der Insel. Sandra hat in einer Pension angeheuert, um die Zeit zwischen BWL-Studium und Jobangebot als Zimmermädchen rumzubringen. Und gar nicht okay: Langeoog ist so groß nun auch wieder nicht und so. Arne konnte – und wollte – mir auch gar nicht erzählen, dass er seine Ex nicht treffen wird.
Earl rülpst mir gegen das Schienbein. Dieses Mal zum Glück ohne Material. In letzter Zeit scheint der Mops nicht mehr ganz dicht zu sein, was den Reflex angeht. Arne wollte ihn nach seiner Rückkehr untersuchen. Meine Diagnose: Der Mops frisst zu viel. Mehr, als in einen Magen passt.
Jedenfalls lenkt der Hund mich vom Nachdenken ab, denn da Arne nicht da ist, habe ich Zwangsurlaub. Allein kann ich den Rettungswagen nicht fahren und das bisschen Buchhaltung, das in mein Ressort fällt, ist längst erledigt. Meine Tage verbringe ich also mit Earl und Mudel, die Abende mit Chris und Rolf. Und die stehen eine halbe Stunde später fix und fertig bereit, um in die Schrebergartenkolonie zu düsen. Wenn man sie allerdings so ansieht, dann könnte man meinen, sie hätten mindestens zwei Stunden – pro Person! – für das Styling gebraucht. Chris steckt in von einem Designer genau da ausgewaschenen Jeans, wo sich seine edelsten Körperteile befinden. Darüber trägt er ein rot kariertes Holzfällerhemd, das Haar ist sorgsam gekämmt, und in der Hand hält er glänzende neue Gummistiefel. Rolf sieht aus wie sein Klon, nur mit anderer Haarfarbe – braun statt blond – und anderer Hemdfarbe – seins ist blau. Ich seufze und zwänge mich auf den Fahrersitz: Selbst wenn ich zwei Stunden im Bad verbringe – diese wie zufällig verwuschelten Haare, die meine Jungs scheinbar mühelos aus der Geldose zaubern, bekomme ich nie hin.
Chris klemmt sich auf den Beifahrersitz, die Gummistiefel wie ein Stofftier an sich gepresst. Fehlt nur noch, dass er den Gartentretern einen Kuss gibt. Rolf, Earl und Mudel quetschen sich auf die Rückbank. Was so
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