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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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Prolog
    Der Nebel
September
    Die ganze Strecke vorbei an New York hatte es geregnet. Auf dem viel befahrenen New Jersey Turnpike staute sich der Verkehr, bis es nur noch in einem elend langsamen Schritttempo weiterging. Die wachsende Ungeduld der Fahrer führte zu zahlreichen Blechschäden. Hinter dem Hudson hätte Finn Douglas beinahe die Abzweigung zu den Neuengland-Staaten übersehen. Maine war noch immer höllisch weit weg, und er war mittlerweile hundemüde.
    Er hatte gehofft, es in dieser Nacht zumindest noch bis zum nächsten Bundesstaat zu schaffen, doch das würde wohl nicht klappen.
    Als er auf dem Massachusetts Pike Richtung Osten durch Connecticut fuhr, merkte er, dass er allmählich zur Gefahr für sich und andere wurde. Mit zwanzig konnte er mühelos achtundvierzig Stunden wach bleiben, ohne die geringste Müdigkeit zu verspüren. So lange war das noch gar nicht her, stellte er sarkastisch fest. Er sollte auch im reifen Alter von achtundzwanzig noch einigermaßen fit sein. Seltsam – sobald er die Grenze nach Massachusetts hinter sich hatte, war er nicht nur todmüde, er verspürte einen regelrechten Drang, die Straße zu verlassen. Sobald er die ersten Schilder von Boston sah, wurde aus dem Drang ein Zwang. Er musste anhalten, und zwar gleich.
    Doch in Boston haltzumachen war nicht besonders klug. In dieser Stadt wurde ständig gebaut, es wimmelte von Einbahnstraßen, der Verkehr war schrecklich, und die Motels, Hotels und Restaurants waren hier bestimmt wesentlich teurer als weiter im Norden. Trotzdem …
    Weg von der Straße! Und zwar sofort! Halt an!
    Eine Stimme in seinem Kopf. Die Stimme eines Verkehrspolizisten, dachte er erschöpft. Eines Polizisten, der ihn warnte, dass er sich selbst oder einen anderen umbringen würde, wenn er nicht ein Weilchen ausruhte.
    Er hätte irgendwo in Connecticut den Highway verlassen sollen, bevor er auf den Mass Pike und den Highway in die Stadt eingebogen war.
    Vor ihm war eine Ausfahrt. Er befand sich im Norden der Stadt, in der Nähe der alten Ausfahrt zum Flughafen.
    Er hatte keine Ahnung, wohin ihn die nächste Ausfahrt bringen würde. Natürlich landete er in einer Einbahnstraße.
    Boston. Hier würde er nie einen Parkplatz finden.
    Aber immerhin – Boston, eine tolle Stadt. Essen, ein Drink … Das war momentan das Wichtigste. Er war im frühen Morgengrauen in Louisiana aufgebrochen und war seitdem ohne Unterbrechung gefahren, abgesehen von kurzen Tankstopps. Wie viele Stunden saß er nun schon im Auto? Er war ein Vollidiot. Auch, weil er so lange gebraucht hatte, um diese Fahrt anzutreten. Viel zu viele Nächte hatte er herumgesessen und sich eingeredet, sie würde schon wieder zu ihm zurückkehren. Er hatte doch nichts Schlimmes getan. Megan würde es einsehen und zurückkehren.
    Aber sie kam nicht.
    Schließlich hatte er erkannt, dass es keine Rolle spielte, im Recht zu sein. Megan hatte sich etwas eingeredet, und er war zu stolz gewesen, es abzustreiten, ja, er hatte sich sogar stur dagegen gewehrt, die Sache aufzuklären. Deshalb war ihr kaum eine Wahl geblieben. Diese Einsicht war ihm im Schlafzimmer gekommen. Er hatte die vom Balkon hereinwehende Brise gespürt und die gedämpfte Kakofonie vernommen, die die Straßen von New Orleans Tag und Nacht erfüllte. Und er hatte all das wahrgenommen, was ein Teil von Megan war: die im Nachtwind flatternden beigefarbenen Vorhänge, das Kopfteil und den Baldachin des großen Bettes, die antiken Kommoden, die noch nicht komplett restauriert waren. Eine der Schubladen stand offen, etwas aus Seide und Spitze quoll heraus. Er hätte schwören können, ihr Parfüm zu riechen.
    Und wenn er in dem Moment aufgestanden wäre und eine CD eingelegt hätte, dann hätte er ihre Stimme gehört.
    Am liebsten hätte er sie angerufen, doch dann unterließ er es. Es waren zu viele böse Worte gefallen. Er sah sie so deutlich vor sich, ihr langes blondes Haar, ihre Leidenschaft, die Tränen in ihren tiefdunkelblauen Augen. Ein Anruf hätte nicht gereicht, nicht, nachdem er es mit einem Schulterzucken abgetan hatte, als sie ihm erklärte, sie müsse ihn verlassen, müsse nach Hause zurückgehen …
    Auf einmal merkte er, dass er den Wagen bereits geparkt hatte. Er kniff die Augen zusammen und sah sich um. Offenbar war er irgendwo in der Nähe von Little Italy. Gottlob kannte er sich in Boston ein wenig aus, er hatte hier schon ein paar Mal gespielt. Doch viel hatte er nicht mitbekommen, weil sie immer per Flugzeug

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