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Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus

Titel: Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Fuehmann
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Odysseus,
    Sohn des Laertes, Gatte der Penelope, war König auf Ithaka. Sein Land, eine Insel im Ionischen Meer, war steinig und überstürmt von rauhen Wettern, jedoch der Fleiß und die Kunst seiner Bewohner hatten dem kargen Boden Korn, Oliven und Wein zur Genüge entsprie ßenund auf saftigen Weiden vielhundertköpfige Herden prächtigen Viehs, Rinder, Schafe, Schweine und Ziegen, heranwachsen lassen.
    So lebte das Volk Ithakas in harter Arbeit und herbem Glück. Es liebte Odysseus, seinen König, der umsichtig, klug und verständigen Sinnes und wie schon sein Vater Laertes um einen guten Rat nie verlegen war. Ob seiner Schläue nannte man ihn allerorts Odysseus den Listenreichen.
    Als die griechischen Stämme, zu denen auch die Bewoh ner Ithakas zählten, sich zum Krieg gegen Troja rüsteten und ihr Anführer auch von Ithakas König verlangte, ein Heer aufzustellen und mit ihnen zu Felde zu ziehen, weigerte sich Odysseus, sein Volk ins Schlachten zu führen. Er stellte sich wahn sin nig, als der Herold kam, ihn zum Kriegszug zu fordern. Er spannte eine Kuh und ein Schaf vor den Pflug – denn damals arbeiteten ja die Könige gleich den andern –, trieb das Gespann mit lächerlichen Reden an und säte Salz in die aufgeworfenen Furchen. Der Herold aber ließ das soeben geborene Söhnlein des Odysseus und der Penelope, Telemach mit Namen, in den Weg der Pflugschar legen. Als Odysseus dies sah, hielt er erschrocken den Pflug an. Da wusste der Herold, dass Odysseus nicht wahnsinnig war.
    Odysseus rüstete also ein Heer, die Mannesblüte der Inseln – denn neben Ithaka gehörten auch die kleineren Eilande Same, Dulichion undZakynthos zu seinem Reich –, und stach mit seiner Flotte in See. Zehn Jahre währte der blutige Kampf um Ilion, die Festung Troja, dann war, durch eine List des Odysseus, Troja besiegt, und die Überlebenden kehrten heim. Mit zwölf Schiffen und den fünfhundert Kriegern, die ihm nach dem männermordenden Schlachten um Ilion noch geblieben waren, begab sich auch Odysseus auf die Heimfahrt, doch da er und seine Gefährten zweimal den Zorn der Götter erregten – wir werden davon noch vieles berichten –, war es ihm nicht wie den anderen griechischen Fürsten vergönnt, seine Mannschaft in die Heimat zu führen. Zehn Jahre lang musste er von Fährnis zu Fährnis durch alle Schrecken und Greuel und Leiden treiben, die ein Mensch nur ertragen kann, und dabei all seine treuen Ka meraden und all seine Schiffe verlieren, um schließlich, zu einem Zeitpunkt, den die Götter zu bestimmen sich vorenthielten, elend und nackt als Fremder sein Vaterland wiederzusehn. Von den Abenteuern der qualvollen Heimkehr handelt dieses Buch.

I Odysseus
kommt zu den Phaiaken

Die Versammlung der Götter
    Zehn Jahre waren vergangen, seit Odysseus mit seinen Gefähr ten von Troja die Heimfahrt angetreten, und noch immer war es ihm nicht gelungen, zu seinem Weib Penelope und seinem Sohn Telemach zurückzukehren. Das jammerte schließlich auch die Götter, denn wenn sie auch Unsterbliche waren, so fühlten sie doch ebenso wie Menschen fühlen, und Jammer und Erbarmen waren ihren Seelen nicht fremd.
    Der einzige Unerbittliche war der Meergott Poseidon, der mit dem dreizackigen Speer alle Salzflut der Welt beherrschte. Er konnte Odysseus nicht verzeihen, dass er seinen, Poseidons, Lieblingssohn, den einäugigen Riesen Polyphem, geblendet hatte – auch davon wird noch vieles und Grausames zu berichten sein. Aus welcher Not auch immer Odysseus bei dieser Blen dung gehandelt hatte, Poseidon war nicht zu versöhnen; er hatte gelobt, Odysseus bis ans Ende seiner Jahre durch die schäumende See in immer neue und immer qualvollere Irre zu hetzen und ihn schließlich in Verzweiflung sterben zu lassen. Nach seinem Willen hätte Odysseus die Heimat nie wiedergesehen.
    Nun fügte es sich, dass eines Tages im fernen Äthiopien, wo das Ende der Welt lag und die Menschen einen schwarz gelockten Doppelkopf trugen, Poseidon ein prachtvolles Opfermahl von hundert Stieren und Widdern bereitet wurde. Frohgestimmt eilte der Meergott dorthin und erfreute sich des duftenden Bratens, denn die Götter Griechenlands aßen undtranken wie die sterblichen Menschen auch, und sie aßen und tranken gern und viel und konnten, wenn der Opfervorrat reichte, eine Woche lang an der Tafel sitzen. Diesen günstigen Umstand nützte Zeus, der oberste aller Götter, der den Donner schüttelt und den Blitz auf die Erde hinabwirft und auf dessen Schultern der

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