Mopsküsse: Roman (German Edition)
sie. »Und leider war ich noch nie in Rom, deshalb kenne ich auch dieses Restaurant am Trevibrunnen nicht.«
»Dann wollen Sie also nicht essen gehen?«, fragte Dr. Stern leicht irritiert.
Essen? Was sollte das denn jetzt? Er hatte definitiv nichts von Essen gesagt – ein Wort, das Antonella in fast jeder Sprache beherrschte. Sie war quasi im Münchner Restaurant ihrer Familie aufgewachsen und hatte praktisch immer Appetit.
Ehe Antonella antworten konnte, fuhr Adrian fort: »Ich meinte das Fontana di Trevi, ein italienisches Restaurant hier die Straße runter – vielleicht war meine Aussprache nicht ganz korrekt. Wir könnten die Erbschaftssache beim Essen besprechen. Aber wenn Sie nicht hungrig sind …«
»Ihre Aussprache ist wirklich verbesserungswürdig!« Antonella lächelte erleichtert. Vielleicht hatte er doch nichts gemerkt. Wahrscheinlich ein typischer Fall von VHS-Kurs: Nach zwei Lektionen konnten sie perfekt einen Cappuccino bestellen und hielten sich gleich für Casanova persönlich. »Ich hätte wirklich ein bisschen Hunger. Das Essen im Zug ist ja ungenießbar.«
»Sehr schön, dann lassen Sie uns gehen.« Adrian griff sich einige Akten und stand auf.
»Andiamo!«, flötete Antonella und sprang ebenfalls vom Stuhl auf.
Ins Fontana di Trevi waren es wirklich nur ein paar Schritte. Michele, der Wirt, begrüßte sie herzlich. »Ah, Dottore, heute in charmanter Begleitung?«
Es lief nicht gut beim Mittagessen. Mit den Ricotta-Ravioli in Salbeibutter servierte Michele ein paar Vertraulichkeiten. Er sei ja wirklich froh, dass der Dottore in so hübscher weiblicher Begleitung hier sei. Sonst käme er ja immer alleine oder höchstens mal mit einem Kollegen. Es sei nicht gut für einen Mann, so ganz allein und ohne Frau. Adrian räusperte sich an dieser Stelle vernehmlich und sagte: »Signorina De Anna ist eine Klientin, Michele.«
»Ah, und Italienerin ist sie auch! Was für ein Glück für den Dottore! Wissen Sie«, fuhr der Wirt an Antonella gewandt auf Italienisch fort, »Dottore Stern hat in Florenz studiert. Er ist wirklich ein guter Anwalt. Der beste! Er hilft Ihnen bestimmt bei Ihrem Problem. Und aus welcher Stadt in Bella Italia kommen Sie eigentlich?«
»Signorina De Anna zieht es vor, in Deutschland Deutsch zu sprechen«, informierte Dr. Stern den Italiener in leicht spöttischem Tonfall.
»Ah?« Michele war einigermaßen irritiert, fing sich aber gleich wieder. »Das ist aber schade, der Dottore spricht unsere schöne Sprache so gut. Er freut sich immer, wenn er sich mit jemandem auf Italienisch unterhalten kann.«
»Äh ja … scusi«, krächzte Antonella, sprang auf und hastete in Richtung Toilette davon. Das durfte ja wohl alles nicht wahr sein! Wie sollte sie aus dieser Nummer jemals heil herauskommen?
»Geht es Ihnen gut?«, fragte Dr. Stern besorgt, als Antonella einige Minuten später wieder zurückkam.
»Danke, es geht schon«, seufzte sie mit schwacher Stimme. Ein Themenwechsel musste her. »Mir ist nur wieder eingefallen, warum ich eigentlich hier bin.«
»Aber ja, natürlich. Verzeihen Sie. Sie standen Ihrer Großtante also sehr nahe?« Der smarte Anwalt runzelte leicht die Stirn.
»O ja, sehr! Als Kind habe ich ständig die Ferien bei ihr verbracht, und in letzter Zeit haben wir regelmäßig telefoniert. Sie war wie eine Großmutter für mich.« Antonella schwelgte in süßen Erinnerungen. Dass sie soeben frei erfunden waren, musste dieser Anwalt ja nicht wissen. Eigentlich kannte sie ihre Großtante so gut wie gar nicht und war sehr überrascht gewesen, dass sie die Erbin sein sollte. Sie hatte Tante Elsa vor Jahren einmal bei einer großen Familienfeier getroffen. Antonellas Mutter, eine pragmatische und resolute Frau, hatte nicht viel von ihrer Tante gehalten. Deshalb wurde der Kontakt nicht gerade gepflegt. Elsa hatte nämlich zu Lebzeiten als höchst exzentrisch gegolten.
»Das ist ja sehr interessant«, sagte Anwalt Stern mit unbewegter Miene. »Wollen wir uns dann das Testament ansehen?«
»Gerne! Ich bin schon sehr gespannt!« Antonella spießte die letzten Ravioli auf die Gabel.
Dr. Stern tupfte sich die Mundwinkel mit der Serviette ab, schob seinen Teller zur Seite und zog aus einer Mappe einige Bögen lavendelfarbenes Papier.
»Testament« , begann er zu lesen. »Ich, Elsa Juliane Fried, geboren am 19.3.1921 in München, wohnhaft in der Weberstraße 27 in Frankfurt, dokumentiere hiermit und unwiderruflich meinen letzten Willen: Da mir das Schicksal
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