MoR 01 - Die Macht und die Liebe
dumm und einfältig? Jugurtha wußte genau, wem die Villa gehörte. Er wußte genau, daß man ihn mit dem Mietzins übers Ohr gehauen hatte. Aber Offenheit war nicht zu jeder Zeit und an jedem Ort das richtige, und deshalb hatte er nichts gesagt, als er den Mietvertrag unterschrieben hatte.
Immerhin konnte er von seinem Haus aus die schwarzen Felsen des Kapitols und die Rückseite des Jupitertempels sehen, wo nach Auskunft seiner Agenten in eben diesem Augenblick die erste Senatssitzung mit den neuen Konsuln stattfand. Wie verhandelte man mit den Römern am besten? Wenn er das gewußt hätte, er hätte jetzt ein paar Sorgen weniger gehabt.
Dabei hatte am Anfang alles ganz einfach ausgesehen. Jugurthas Großvater war der große Massinissa, der aus den Trümmern des von den Römern im Punischen Krieg zerstörten Karthago das Königreich Numidien geschaffen hatte. Die Römer hatten das zunächst geduldet, waren aber unruhig geworden, als Massinissas Macht immer weiter wuchs und ein neues Karthago zu entstehen schien. Für Numidien war es ein Glück, daß Massinissa rechtzeitig starb, denn nach seinem Tod teilte Scipio Aemilianus die Macht in Numidien unter Massinissas drei Söhnen auf, wie der König es in seinem Testament verfügt hatte. Scipio Aemilianus griff dabei allerdings zu einer List: Er teilte nicht das Land auf, sondern die königlichen Pflichten. Den ältesten Sohn machte er zum Verwalter der Finanzen und der Paläste, den mittleren zum Feldherrn des numidischen Heeres und den jüngsten zum obersten Richter. So hatte der Sohn, der das Heer befehligte, für einen Aufstand kein Geld, der Sohn, der das Geld hatte, kein Heer, und der Sohn, der das Gesetz hütete, weder Geld noch Soldaten.
Bevor Rivalität und Streitereien doch noch einen Aufstand herbeiführen konnten, starben die beiden jüngeren Söhne, und der älteste, Micipsa, wurde Alleinherrscher. Seine verstorbenen Brüder hatten jedoch Kinder hinterlassen: zwei rechtmäßige Söhne und einen Bastard namens Jugurtha. Einer dieser jungen Männer würde Micipsa nach dessen Tod auf den Thron folgen. Aber welcher? Doch dann zeugte der bisher kinderlose Micipsa in fortgeschrittenem Alter zwei eigene Söhne, Adherbal und Hiempsal. Der Kampf um die Krone wurde zusätzlich dadurch angeheizt, daß die potentiellen Thronfolger in der falschen Reihenfolge geboren worden waren. Jugurtha, der Bastard, war der älteste, die Söhne des regierenden Königs waren noch Säuglinge.
Massinissa hatte seinen Enkel Jugurtha verachtet, allerdings weniger deshalb, weil er ein Bastard war, sondern vielmehr, weil seine Mutter von den geringsten seiner Untertanen abstammte - sie war ein nomadisches Berbermädchen. Micipsa erbte von seinem Vater die Abneigung gegen Jugurtha, und als er sah, daß dieser zu einem gutaussehenden, intelligenten Mann heranwuchs, suchte er Mittel und Wege, den Hauptrivalen um die Thronfolge aus dem Weg zu räumen. Als Scipio Aemilianus von Numidien militärische Unterstützung bei der Belagerung Numantias anforderte, stellte Micipsa die numidischen Truppen unter den Befehl Jugurthas, in der Hoffnung, daß Jugurtha in Spanien fallen würde.
Doch es kam anders. Jugurtha war der geborene Soldat, und außerdem freundete er sich schnell mit den Römern an, besonders mit zwei jungen Militärtribunen aus dem Stab des Scipio Aemilianus, Gaius Marius und Publius Rutilius Rufus. Die drei Männer waren gleich alt, dreiundzwanzig. Am Ende des Feldzuges hatte Jugurtha überdies eine wichtige Einsicht gewonnen: Alle Römer, die ein hohes politisches Amt anstrebten, litten unter chronischem Geldmangel. Mit anderen Worten, sie waren käuflich.
Zurück in Numidien, übergab Jugurtha König Micipsa einen Brief des Scipio Aemilianus, in dem dieser Jugurthas Tapferkeit, Vernunft und überragende Intelligenz so überschwenglich lobte, daß Micipsa seine Ablehnung aufgeben mußte. Etwa zur selben Zeit, als Gaius Sempronius Gracchus im Hain der Furrina starb, entschloß sich Micipsa, Jugurtha offiziell als Sohn anzunehmen und ihn zum ersten Anwärter auf den Thron zu bestimmen. Er machte jedoch zur Bedingung, daß Jugurtha niemals König werden dürfe, sondern lediglich die Vormundschaft über die beiden legitimen Söhne Micipsas übernehmen solle.
Unmittelbar darauf starb König Micipsa und hinterließ zwei minderjährige Thronerben und Jugurtha als Regenten. Innerhalb eines Jahres wurde der jüngere der beiden Brüder, Hiempsal, auf Jugurthas Veranlassung ermordet.
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