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MoR 01 - Die Macht und die Liebe

MoR 01 - Die Macht und die Liebe

Titel: MoR 01 - Die Macht und die Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colleen McCullough
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viele der Ritter und sogar einige Senatoren kannten ihn nicht, aber es waren immer noch genug Männer da, die wußten, wer er war, und ihn nicht fortschicken würden.
    Auch wenn er am öffentlichen Leben der Oberschicht nicht teilhatte: Vielleicht hatte er es nach so vielen Generationen einfach im Blut, dieses gewisse Gefühl, als ob Todesglocken Untergang und Verderben ankündigten. Für die politischen Vorgänge auf dem Forum Romanum hatte er sich nie interessiert. Lieber blieb er dem Geschehen dort fern, als sich für etwas aufzureiben, zu dem ihm der Zugang doch verwehrt war. Aber jetzt ahnte er, daß es ein schlechtes Jahr werden würde, ein weiteres schlechtes Jahr in jener langen Folge schlechter Jahre, die mit der Ermordung des Tiberius Gracchus begonnen und ihre Fortsetzung mit dem erzwungenen Selbstmord seines Bruders Gaius Gracchus gefunden hatte.
    Fast schien es, als liege Rom in den letzten Atemzügen, als sei es politisch am Ende. Sulla sah sich um. Mittelmaß und Bedeutungslosigkeit, wohin sein Auge traf. Dort standen sie und dösten im Nieselregen vor sich hin, Männer, die innerhalb von zehn Jahren den Tod von über 30 000 tüchtigen römischen und italischen Soldaten verschuldet hatten, und das zumeist aus persönlicher Habgier. Da war es wieder, das Geld. Geld, Geld und nochmals Geld. Und Macht. Man durfte den Hunger nach Macht nicht unterschätzen. Wo waren die wirklich großen Köpfe in dieser jämmerlichen Versammlung? Wo waren die Männer, die Rom vor dem Untergang erretten würden?
    Der weiße Stier bockte. Kein Wunder, wenn man sich die Konsuln für dieses Jahr ansah. Für jemanden wie Spurius Postumius Albinus würde ich meinen Kopf auch nicht freiwillig unters Beil legen, dachte Sulla, er mag noch so oft ein Patrizier sein. Woher hatte er überhaupt so viel Geld? Richtig, die Postumius Albinus hatten immer Geld geheiratet. Verflucht sollten sie sein.
    Das Blut spritzte. Ein ausgewachsener Stier hat eine Menge Blut. Was für eine Verschwendung. Kraft, Muskeln, Potenz. Doch was für eine wunderbare Farbe. Tiefrot und dickflüssig rann sie zwischen den Füßen der Zuschauer hangabwärts. Gebannt blieb Sullas Blick daran hängen. Verband sich Kraft immer mit der Farbe Rot? Feuer. Blut. Haare - seine Haare. Penisse. Senatorenschuhe. Muskeln. Flüssiges Metall. Lava.
    Es war Zeit zu gehen. Das Blut noch vor Augen, sah er auf und begegnete dem ruhigen, festen Blick eines hochgewachsenen Senators, der in die toga praetexta der hohen Magistratsbeamten gekleidet war. Was für ein Mann! Wie hieß er? Er hatte keine Ähnlichkeit mit anderen prominenten Senatoren. Sulla kannte deren Gesichter genau, obgleich er nicht mit ihnen verkehrte.
    Wer auch immer der Mann sein mochte, er gehörte jedenfalls keiner der großen Familien an. Schon die Nase ließ auf einen Schuß keltischen Blutes schließen. Für einen echten Römer war sie zu kurz und gerade. Und dann die gewaltigen Augenbrauen! Auch sie keltisch. Sein Gesicht war von zwei Narben gezeichnet, die ihn aber nicht verunstalteten. Eine Kämpfernatur, ungestüm, stolz und intelligent. Ein Adler. Doch wer war er? Kein Konsul, dessen war sich Sulla sicher. Vielleicht ein Prätor? Jedenfalls keiner der diesjährigen Prätoren, denn die hatten sich hinter den Konsuln versammelt und starrten stocksteif vor Würde geradeaus wie ein Haufen alter Vogelscheuchen.
    Sulla drehte sich abrupt um und ging. Er konnte sie nicht länger ertragen, auch den Mann mit dem Adlerblick nicht. Es war Zeit zu gehen. Doch wohin? Blieb ihm etwas anderes übrig, als sich in die Arme seiner alternden Stiefmutter und seiner Mätresse zu flüchten?

    Wenn ein gekrönter Herrscher Rom besuchte, durfte er das pomerium , die geheiligte Stadtgrenze, nicht überschreiten. So mußte Jugurtha, der König der Numider, den Neujahrstag in seiner schwindelerregend teuren, aber todlangweiligen Villa auf dem Pincio über der weiten, das Marsfeld umschließenden Flußschleife verbringen. Der Makler hatte die Aussicht in höchsten Tönen gepriesen, den weiten Blick über das Janiculum und den vatikanischen Hügel, die grünen, vom Tiber begrenzten Auen und das breite, blaue Band des mächtigen Stroms. So große Flüsse wie den alten Vater Tiber gebe es in Numidien bestimmt nicht, hatte der eitle kleine Mann geplappert und dabei verschwiegen, daß er im Auftrag eines Senators handelte, der das Haus so günstig wie möglich vermieten wollte. Warum hielten die Römer eigentlich alle Nichtrömer für

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